Zum 100. Todestag im März dieses Jahres hat sich der Fall Debussy keineswegs erledigt, im Gegenteil. Noch immer werden bislang unbekannte Manuskripte gefunden und eingespielt, aktuelle Aufnahmen rücken verschiedene Werkabschnitte in neues Licht. Unter dem Motto "Vermächtnis" ist nun ein Album mit später Kammermusik erschienen.
Bildquelle: Harmonia Mundi
Der CD-Tipp zum Anhören
Von Krankheit gezeichnet und erschüttert vom Ersten Weltkrieg wendet sich Claude Debussy in seinen letzten Lebensjahren kleinen Besetzungen zu. Und er beschäftigt sich mit französischer Barockmusik. Nach barocker Art will er sechs Sonaten für unterschiedliche Kammerensembles schreiben. Bis zu seinem Tod 1918 kann er schließlich nur noch drei Sonaten fertigstellen, eine Cello- und Violinsonate und eine Triosonate für Flöte, Viola und Harfe. Die Violinsonate ist das letzte Werk. Debussy selbst übernimmt den Klavierpart bei der Pariser Uraufführung im Mai 1917. Es ist sein letztes öffentliches Konzert.
Wie fein ausbalanciert die Geigerin Isabelle Faust und Alexander Melnikov am Klavier dieses Spätwerk spielen, atmosphärisch abtasten und dabei feine Klangschattierungen herausarbeiten, ist schlichtweg faszinierend. Das gilt auch für die anderen Interpretationen auf dieser CD. Debussys Sonate für Flöte, Viola und Harfe haben Magali Mosnier, Antoine Tamestit und Xavier de Maistre aufgenommen. Auch diesen drei Musikern gelingt es, die Musik von Debussy wunderbar in Schwebe zu halten. Manchmal lässt sich kaum ausmachen, wo die eine Stimme von der anderen weitergetragen wird. Alle drei Instrumente umgarnen sich und verschmelzen immer wieder raffiniert.
Zwei weitere Ausnahmemusiker sind mit der Cellosonate zu hören: der Cellist Jean-Guihen Queyras und der spanische Pianist Javier Perianes. Hell- und Dunkelkontraste gestalten die Beiden souverän und mit immer wieder herrlich aufblitzender Spielfreude. Zwischen die drei Sonaten sind kurze kontemplative Klavier-Solostücke gesetzt. Es sind die letzten Klavierkompositionen von Debussy, die der Pianist Tanguy de Williencourt in differenziertes Licht taucht.
Wenn man dieses in der Abfolge sensibel zusammengestellte "Vermächtnis"-Album durchlaufen lässt, muss man bedauern, dass Debussy nur drei seiner sechs geplanten Sonaten komponieren konnte. Die vorliegenden Werke werden jedoch als Kostbarkeiten der Kammermusik erlebbar, zumal, wenn sie so ausgezeichnet und individuell interpretiert werden wie auf dieser CD. Auch aufnahmetechnisch ist diese tolle Produktion ein Geschenk zum Ende des Debussy-Jahres.
Claude Debussy:
Violinsonate g-Moll
Sonate F-Dur für Flöte, Viola und Harfe
Violoncellosonate d-Moll
"Berceuse heroique"
"Page d'album"
"Elegie"
"Les Soirs illumines"
Isabelle Faust (Violine)
Antonie Tamestit (Viola)
Jean-Guihen Queyras (Violoncello)
Alexander Melnikov, Javier Perianes, Tanguy de Williencourt (Klavier)
Magali Mosnier (Flöte)
Xavier de Maistre (Harfe)
Label: harmonia mundi
Sendung: "Leporello" am 8. November 2018, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK
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