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CD - Elliott Carter Späte Werke

Was für ein Star-Aufgebot! Die Geigerin Isabelle Faust, der Cellovirtuose Jean-Guihen Queyras und der Pianist Pierre-Laurent Aimard, frisch geadelt mit dem Siemens-Preis, dem "Nobelpreis für Musik". Drei Klassik-Giganten machen Kammermusik. Würden sie Brahms oder Mendelssohn spielen, die Klassik-Welt wäre aus dem Häuschen, die Marketing-Maschinerie würde heiß laufen. Tut sie aber nicht. Denn die drei widmen sich mit Hingabe einem modernen Komponisten, den hierzulande fast nur die Freaks kennen: Elliott Carter.

Bildquelle: Ondine

Der CD-Tipp zum Anhören

Die kurzen "Epigramme" für Klaviertrio waren Elliott Carters letztes Werk. Er schrieb sie im biblischen Alter von 103 Jahren. Der New Yorker, geboren 1908, gestorben 2012, war im wahrsten Wortsinn ein Jahrhundertkomponist. Er hat den Ersten Weltkrieg miterlebt und die Anschläge auf das World Trade Center, er war als junger Mann noch mit Charles Ives befreundet und bekam im Alter einen Grammy, im selben Jahr wie Coldplay und Metallica. In den 1960er Jahren war Carters Musik berüchtigt für ihre Kühnheit; jahrelang tüftelte er an wenigen, aber hochkomplexen Orchesterwerken, in denen mehrere Temposchichten gleichzeitig abliefen.

Vital, ungestüm, flirrend vor Energie

Später dann, in einem Alter, in dem andere in Rente gehen, setzte nochmal ein erstaunlicher Kreativitätsschub ein: Allein nach seinem 90. Geburtstag schrieb Carter über 50 neue Stücke. Sieben davon sind auf dieser CD zu hören - vom Klaviertrio bis zum großbesetzten Orchesterwerk. Und von wegen Altersmilde: Vital, ungestüm, flirrend vor Energie präsentiert sich dieses Spätwerk. Es verblüfft durch seinen Facettenreichtum, seine augenzwinkernden Einfälle, seine ausdrucksvolle Gestik. Und die erschließt sich sofort: Da gibt es aufgeregt zwitschernde Holzbläser und hämisch lachende Blechbläser; ein einsames Englischhorn irrt tollpatschig herum und das ganze Orchester schreit "Basta"; es gibt melancholische Gesänge der Trompete und der Tuba und immer wieder rasant losstürmende Sprints auf dem Klavier.

Immer geistreich, manchmal melancholisch, nie sentimental

Der fantastische Pierre-Laurent Aimard hat neben Isabelle Faust auch noch andere prominente Mitstreiter für diesen kleinen Streifzug durch Elliott Carters riesiges Spätwerk gewonnen: den Schlagzeug-Star Colin Currie zum Beispiel, den Dirigenten Oliver Knussen und das BBC Symphony Orchestra. Staunend erkundet man mit ihnen diesen Kosmos absoluter Musik, die immer geistreich wirkt, manchmal melancholisch, aber nie sentimental. Es ist der große Abgang eines großartigen Komponisten, der die Interpreten gefunden hat, die seine Musik verdient.

Elliott Carter: Späte Werke

"Interventions" für Klavier und Orchester
"Dialogues" für Klavier und Kammerorchester
Dialogues II für Klavier und Kammerorchester
"Soundings" für Orchester
"Two Controversies and a Conversation" für Klavier, Schlagzeug und Kammerorchester
"Instances" für Kammerorchester
"Epigrams" für Klaviertrio

Pierre-Laurent Aimard (Klavier)
Colin Currie (Schlagzeug)
Isabelle Faust (Violine)
Jean-Guihen Queyras (Klavier)
Birmingham Contemporary Music Group
BBC Symphony Orchestra
Leitung: Oliver Knussen

Label: Ondine

Sendung: "Leporello" am 13. September 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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