Der Komponist Enjott Schneider, Jahrgang 1950 und in München lebend, zählt zu den wohl schillerndsten Musik-Kreativen der Gegenwart. Sein Oeuvre reicht vom sakralen Mysterienspiel über ausladende Orgelsymphonien bis hin zur Filmmusik, und besonders für Letztere erhielt er zahlreiche Auszeichnungen und Preise. Auch nach seinem Rückzug von der Münchner Hochschul-Professur ist Schneider, was er immer schon war: ein rastlos Getriebener, der zur Zeit damit beschäftigt ist, sein kompositorisches Oeuvre in einer umfangreichen Diskografie zu verewigen.
Bildquelle: Wergo
CD Tipp 22.03.2016
Der CD-Tipp zum Nachhören!
Schneiders Name steht bis heute vor allem für Filmpartituren bzw. bildhaft-programmatisch inspirierte Klänge. Eines der drei Seelengemälde auf dieser CD ist der Doppelnatur "Dr. Jekyll & Mr. Hyde“ gewidmet. In durchaus plakativer Manier hat Schneider diesen Vorläufer Freud’scher Psychoanalyse einem Cello-Duo mit Namen "Cello Duello“ auf den Leib geschrieben. Hinter diesem Namen verbergen sich ARD-Preisträger Jens Peter Maintz und sein Partner Wolfgang Emanuel Schmidt, die sich kongenial dem Widerstreit von Gut und Böse anverwandeln. Wobei die spieltechnischen Herausforderungen durchaus beachtlich sind. Aber Schneider geht es nicht um äußerlich Effekthaftes. Vielmehr ist der CD-Titel für ihn Programm, und folglich läuft sein "Dr. Jekyll“ auf die Austragung des inneren Konflikts hinaus, gipfelnd in Depression und Selbstmord. Sein klangliches Vokabular ist dabei stets fasslich, was ihn für die Avantgardeszene schon immer verdächtig machte, während das breitere Publikum ihn verehrt. Wohl auch, weil er mit Modernität keineswegs geizt, diese jedoch stets in den Dienst seiner Botschaften stellt.
In "Sysiphos“, seiner 2. Symphonie für Schlagzeug und Orchester, ist diese Botschaft gleichzeitig ein Selbstbekenntnis. Nämlich dass Sysiphos, der rastlos sich Mühende, durchaus eine glückliche Gestalt sei. Entsprechend beginnt der erste Satz der Symphonie "Punished by Gods“ mit fast meditativer Gelassenheit. Genau genommen ist diese 2. Symphonie ein fulminantes Konzert für Schlagwerk und Orchester, hier interpretiert von ARD-Preisträger Johannes Fischer und einem perfekt interagierenden Deutschen Symphonieorchester Berlin unter der Leitung von Wolfgang Lischke.
Dem Komponisten Enjott Schneider, diesen Eindruck vermittelt einmal mehr die vorliegende CD, stehen die disparatesten stilistischen Mittel zur Verfügung und seine große Meisterschaft besteht darin, diese für manch einen verdächtige oder gar beängstigende Vielfalt stets zu bändigen und in den Dienst der musikalischen Sache zu stellen. Das Ganze versehen mit einer durchaus spirituellen Note. Denn in dem eingangs zu hörenden dreisätzigen Stück "Eath’s Eyes“, basierend auf einem Zitat des Philosophen Henry David Thoreau: "Ein See ist der schönste und ausdrucksvollste Zug einer Landschaft. Er ist das Auge der Erde. Wer hineinblickt, ermisst an ihm die Tiefe seiner eigenen Natur“, vertont Schneider die drei Seen "Königssee“, "Mondsee“ und den "Lago di Garda“ und spürt dabei den jeweiligen Mythen und Volkssagen nach, die sich um sie ranken. In Ingolf Turban hat er hierbei einen kongenialen Interpreten gefunden, dessen beseelter Ton den Hörer augenblicklich in Bann zieht.
"Augen der Erde" – Konzert für Violine und Orchester
"Dr. Jekyll & Mr. Hyde" – Konzert für zwei Violoncelli und Streichorchester
Symphonie Nr. 2 “Sisyphos” für Schlagzeug und Orchester
Ingolf Turban (Violine)
Cello Duello
Johannes Fischer (Schlagzeug)
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Leitung: Wolfgang Lischke
Label: Wergo