Fünf erste und fünf zweite Geigen, vier Bratschen, drei Celli und zwei Kontrabässe: Das ist die Besetzung eines der vielleicht jüngsten Streichorchester der internationalen Musikszene. Es nennt sich Ensemble Esperanza, und nicht nur seine Mitglieder sind auffallend jung. Auch das Ensemble selbst wurde erst 2015 durch die internationale Musikakademie in Liechtenstein gegründet. Die aktuelle CD-Veröffentlichung trägt den Titel "Southern Tunes", womit der Süden Europas und speziell der Mittelmeer-Raum gemeint ist.
Bildquelle: Ars Produktion
Der CD-Tipp zum Anhören
Die vorwiegend weiblichen Mitglieder des Ensemble Esperanza stammen aus der Schweiz, den Niederlanden, Taiwan, Schweden, der Ukraine, aus Serbien, Kroatien, Deutschland und Österreich. Und wenn der viel gebrauchte Begriff "jung-dynamisch" irgendwo seine Berechtigung hat, dann wohl hier: Schon der Eingangssatz aus Eduard Toldràs "Vistes al mar" lässt augenblicklich aufhorchen. Selbstbewusst, voll katalanischem Stolz und höchst einfühlsam präsentieren sich diese "Vistes al mar", die "Blicke aufs Meer", als musikalische Erinnerungen des katalanischen Neoklassizisten an eine persönliche Liebesgeschichte.
Überhaupt "Neoklassizismus": Er ist gewissermaßen der stilistische Leitfaden dieses inspirierten Albums mit Komponistennamen wie Nino Rota, Komitas und Ottorino Respighi. Respighis "Suite per archi" etwa wurde erst im Jahr 2010 im Nachlass entdeckt. Auch dies scheint ein Merkmal des Ensemble Esperanza zu sein: die Neugier auf Unbekanntes und buchstäblich Unerhörtes. Und ganz nebenbei wird mit dieser Streichersuite auch noch eine Brücke geschlagen zum vorausgegangenen Projekt mit nordischer Literatur: Das Werk des damals gerade 23-jährigen Respighi ist nämlich nicht nur vom Farb- und Formenreichtum der Renaissance inspiriert, sondern auch ganz konkret von Edvard Griegs "Holberg"-Suite.
Neben solchen rhythmisch-eruptiven Sätzen gibt es aber auch jede Menge introvertierter Passagen; wie beispielsweise das Liebeslied "Chinar es" aus den "Miniaturen" des Armeniers Komitas, aus dem eine unendlich gespannte Zartheit spricht. Der in einer armenischen Siedlung in Anatolien geborene Komitas war Komponist, Priester und Musiksammler in einem. Ähnlich wie Béla Bartók war er fasziniert vom Reichtum folkloristischer Kulturen und sammelte armenische, kurdische, persische und türkische Melodien, die er dann zu eigenen Charakterstücken formte.
Genau an diesem Punkt profitiert das Ensemble Esperanza in besonderer Weise von seiner multi-nationalen Zusammensetzung und dem damit einhergehenden ganz natürlichen Gespür für musikalisch-ethnische Temperamente und Stimmungen. Oder anders gesagt: Da wird nicht nur streng nach Noten gespielt, sondern auch äußerst inspiriert zwischen den Zeilen gelesen und musiziert. Poesie im Spannungsfeld zwischen Orient und Okzident.
Eduard Toldrà:
"Vistes al mar"
Ottorino Respighi:
"Suite per archi"
Komitas:
"Miniatures"
Nino Rota:
"Concerto per archi"
Ensemble Esperanza
Label: Ars Produktion
Sendung: "Leporello" am 15. Februar 2018 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK