BR-KLASSIK

Francesco Cavallis Opern sind zumeist verschollen und vergessen - und dabei war er einer der ganz großen Opernkomponisten im Venedig des frühen 17. Jahrhunderts. Anlässlich ihres 15-jährigen Jubiläums haben sich Christina Pluhar und ihr Ensemble L'Arpeggiata eine Tour de Cavalli zum Geburtstag geschenkt.

Francesco Cavalli - L'Amore Innamorato | Bildquelle: ERATO Sie hat es ganz schön bunt getrieben - die alte, ehrwürdige Serenissima. Venedig im frühen 17. Jahrhundert, das meinte Lebensgier, Maskerade, freie Liebe, Intrige, Spektakel, Glücksspiel. Libertinage und Frivolität - ein Sündenpfuhl! Que cittá, que cittá! Welch eine Stadt!!! Und mittendrin, in diesem adriatischen, leicht verruchten Las Vegas lebte und arbeitete er: Francesco Cavalli. Vom Gönner und Förderer Claudio Monteverdi im Alter von 14 Jahren als Sänger für San Marco entdeckt, entwickelte er sich schnell zu einem führenden Organisten. Doch nicht als Kirchenmusiker ging Cavalli in die Musikgeschichte ein, sondern als Opernkomponist.  In der noch vergleichsweise jungen Gattung fing er das ganze pralle Leben seiner Zeit ein und er drückte ihr zugleich seinen wegweisenden Stempel auf. Wie kein zweiter zündete er in dieser Gattung Blitz-Feuerwerke, erschütterte und verzauberte sein Publikum mit einem gekonnten Wechselspiel der Gefühle zwischen tragischer Dramatik und ironischem Witz. Sein Markenzeichen dabei: In der Kürze liegt die Würze - auch in den Arien!

Ariose Edelsteine

Dieser verführerischen Musik des führenden Entertainers jener Zeit wieder ein größeres Publikum zu geben, ist Christina Pluhars Anliegen in ihrem jüngsten Projekt. Mit ihrem Ensemble L'Arpeggiata und den beiden bezirzend-betörenden Sopranistinnen Nuria Rial und Hana Blaziková reist sie durch Oper und Leben des venezianischen Shooting Stars Francesco Cavalli. Unter dem Titel "L'amore innamorato", benannt nach einem nie aufgefundenen, und vielleicht auch nie aufgeführten Werk des Meisters, reihen sich ariose Edelsteine zu einem kostbaren Diadem herzerweichender Opernkunst. Von sanft-verträumter Leichtigkeit bis koketter Ironie, von adoleszenter Frivolität bis glühendster Erotik finden sich auf den gut 66 Minuten dieser CD alle Facetten damaliger venezianischer Liebe, Lust und Leidenschaft wieder.

Bezirzend-betörende Sopranistinnen

Die stimmlichen Verführungskünste der beiden Sopranistinnen berauben den Zuhörer in den kleinen Arien und Rezitativen Cavallis aller Sinne, winden sich schlank und ätherisch durch Nymphenland und Jupiter-Wollust, der sich Nuria Rials leuchtend-strahlender Sopran wenn notwendig keusch und rein entzieht. Wen Hana Blaziková im nachfolgenden kleinen Ausschnitt gibt, kann man sich unschwer zusammenreimen. Bei Satyr ist von Keuschheit keine Spur, da hat einer seine aufkeimenden Triebe nicht mehr unter Kontrolle - wunderbar, wie L'Arpeggiata und Christina Pluhar mit Hana Blaziková explosiv dahinfiebern.

Musikalischer Tanz auf dem Vulkan

L'Arpeggiata um Theorbespielerin und Barockharfenistin Christina Pluhar taucht in diesem Cavalli-Kaleidoskop tief hinein in das venezianische Leben und Treiben damaliger Zeit. Wie aus einer zirzensischen Wunderkammer des Barock tönt ein musikalischer Tanz auf dem Vulkan, in dem sich Höhenflüge mit Abstürzen dicht an dicht reihen, in der die Oper der direkte Spiegel einer abenteuerlichen Zeit ist. Bei L'Arpeggiata kommt dieser Barock direkt im 21. Jahrhundert an - fein, kultiviert, nobel, lustvoll, temperamentvoll, rasant! Ein vitaler Blick zurück nach vorn. Francesco Cavalli - das ist sicher - hätte sich keine besseren Fürsprecher wünschen können.