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CD - Paolo Fresu, Richard Galliano, Jan Lundgren "Mare Nostrum II"

Wenn heutzutage von "Mare Nostrum" die Rede ist, werden in Europa viele Menschen an die Flüchtlingskatastrophe denken , denn dieser Begriff, den die alten Römer für das Mittelmeer geprägt haben, stand für eine Operation der italienischen Marine und Küstenwache zur Seenotrettung vorwiegend afrikanischer Flüchtlinge, die von Oktober 2013 bis Oktober 2014 Bestand hatte.

Bildquelle: ACT

CD-Tipp 21.03.2016

Der CD-Tipp zum Nachhören!

Die drei Musiker, die im Jahr 2007 ihr erstes gemeinsames Album "Mare Nostrum" nannten, hatten anderes im Sinn. Richard Galliano, Paolo Fresu und Jan Lundgren stammen aus drei Ländern mit langen Küsten, und das Meer ist ihnen allgemein eine Inspirationsquelle, die für das Reisen, den Austausch und die Weite steht. Wie sich das in ihren Kompositionen niederschlägt, ist nun auch auf ihrem Nachfolge-Album "Mare Nostrum II" zu hören, das sie nach acht Jahren und vielen gemeinsamen Konzerten jetzt herausgebracht haben.

Piaf trifft Debussy

Der französische Akkordeon- und Bandoneonvirtuose Richard Galliano, der gerne auch als Erfinder einer "Nouvelle Musette" apostrophiert wird, sagt über sich , er interpretiere das Erbe und das Feeling einer Piaf, eines Fauré, Debussy oder Ravel in der Sprache des Jazz. Chanson – oder besser: Liedcharakter, gepaart mit impressionistischer Spielhaltung haben auch die meisten Stücke auf der neuen CD, die er mit dem sardischen Trompeter Paolo Fresu und dem schwedischen Pianisten Jan Lundgren eingespielt hat.              

Wohlklang mit Hallschleife

Dabei entfalten die Melodieinstrumente eine faszinierende klangliche Verschmelzung – sich die Themen teilend oder sich in Harmonien aneinander schmiegend. Auf Kontraste wird weitestgehend verzichtet. Stattdessen gleichen sich alle einander an im Namen des Wohlklangs, der - mit deutlicher Hallschleife versehen - wesentlicher Bestandteil eines musikalischen Wellness-Pakets wird.        

Hang zum Süßlichen

Ein kostbares Geschenk , auf jeden Fall, denn hier sind drei Weltklassemusiker versammelt. Doch auf Dauer wird das, was bei den ersten beiden Tracks entspannend ist, trotz der Freude am subtilen Raffinement so mancher Passage ein wenig fad. Ab dem dritten Stück häufen sich die Harmlosigkeiten, die Musik wirkt zunehmend geglättet und gefällig mit einem Hang zum Süßlichen. Man beginnt, sich zu sehnen: nach mehr Wagnis, nach mehr Reibung, nach mehr Ekstase, nach mehr Jazz. Oder ist das vielleicht gar kein Jazzalbum?

Humor und Spielwitz

Erst im zehnten Stück beweisen Fresu, Galliano und Lundgren, wie leicht es ihnen fallen würde, eines einzuspielen. Da brechen sich dann ihr Humor und ihr Spielwitz Bahn. Statt der sonst vorherrschenden getragenen Tempi wird hier ein mitreißender Rhythmus losgelassen und es wird ebenso ausgelassen wie virtuos improvisiert. Ein bisschen mehr hiervon hätte dem Album meiner Meinung nach gut getan. Da in den Kompositionen nicht die Absicht steckt, die Tragödien zu kommentieren, die sich in Teilen des "Mare Nostrum" abspielen, ist ein durchweg melancholischer oder sentimentaler Ton nicht zwingend. Und selbst dann hätte ich mir mehr improvisatorischen Freiraum, mehr Überraschungsmomente und mehr Feuer gewünscht – wohl wissend, und immer wieder auch hörend, dass die Musiker mehr als genug Potenzial dafür haben.

Paolo Fresu, Richard Galliano, Jan Lundgren - "Mare Nostrum II"

Paolo Fresu (Trompete & Flügelhorn)
Richard Galliano (Akkordeon, Bandoneon & Akkordina)
Jan Lundgren (Piano)
Label: ACT

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