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CD - Christian Gerhaher singt Mozart-Arien

Das könnte ein Selbstläufer sein: Papageno und Leporello, Don Giovanni und Figaro, der eitle Graf Almaviva und der empfindsame Guiglemo. Lauter Lieblingsrollen, lauter Lieblingsopern. Diese unterschiedlichen Charaktere lebendig werden zu lassen, jedem aus der dramatischen Situation heraus eine individuelle Stimmfarbe zu geben, wäre eigentlich Herausforderung genug. Braucht es mehr?

Bildquelle: Sony Classsical

CD-Tipp 28.09.2015

Der CD-Tipp zum Nachhören!

Ja, meint Christian Gerhaher. Mit dem Selbstverständlichen begnügt er sich nicht, auch wenn es für eine Arien-CD vermutlich schon mit einer simplen Aneinanderreihung von ein paar Mozart-Nummern zum Selbstläufer reichen würde. Doch Gerhaher sieht so ein Projekt ganz offenbar nicht bloß als lukrative Leistungsschau, sondern als Chance, die Figuren, losgelöst aus ihren ursprünglichen Kontexten, in einen imaginären Dialog treten zu lassen. Vielleicht fällt so ja auch aus durchaus subjektiver Perspektive neues Licht auf einen Komponisten, den man zu kennen meint. Jedenfalls hat sich Gerhaher für diese CD eine ehrgeizige Dramaturgie erdacht.

Dionysische Lebensfreude

Unmittelbar auf Don Giovanni folgt das Presto-Finale von Mozarts "Linzer" Symphonie. Die dionysische Lebensfreude der Opernfigur spiegelt sich mit verblüffender Präzision in der symphonischen Instrumentalmusik. Dass Mozarts Symphonien, Sonaten und Klavierkonzerte durchdrungen sind vom Geist der Oper, haben schon seine Zeitgenossen beobachtet. Gerhaher macht sich diese fast szenischen Qualitäten von Mozarts Instrumentalmusik für sein dramaturgisches Konzept zunutze, indem er die vier Sätze der "Linzer"Symphonie in seine Arienzusammenstellung buchstäblich hineinkomponiert. Das Menuett reiht sich anmutig zwischen Papageno und Figaro ein, der energiegeladene erste Satz mit seiner grüblerischen Einleitung, eingebettet zwischen zwei Guiglielmo-Arien, unterstreicht die Vielschichtigkeit dieser Figur.

Funkelnde Details

Dabei ist Christian Gerhaher das Freiburger Barockorchester, geleitet von seinem Konzertmeister Gottfried von der Golz, ein hellwacher Partner: impulsiv, farbig, mit vibrierender Energie und funkelnden Details. Mozarts Orchester weiß so unendlich viel über die Figuren, ihre Gedanken und ihre verborgenen Konflikte – die Freiburger machen es hörbar. Und Gerhaher zieht alle Register seiner präzisen, immer vom Textwort ausgehenden Charakterisierungskunst. Klar, sicher und mit betörender Leichtigkeit führt er seine Stimme. Welche Rolle ihm am besten steht, ist natürlich Geschmackssache. Mir scheint er am wenigsten Leporello zu sein – dafür ist er, auch wenn die beiden himmelweit auseinander zu liegen scheinen, ebenso umwerfend als Papageno wie als Don Giovanni. Wer ihn als Liedersänger kennt, weiß es: Gerhaher, der selbstkritische Grübler, entspricht dem Typus Naturbursche so wenig wie dem des Latin Lovers. Aber geleitet von Mozarts Musik findet er über alles Nachdenken und alle wohldurchdachten Gestaltungsabsichten hinweg zu einer zweiten Natürlichkeit, die einfach beglückend ist.

Christian Gerhaher: Mozart-Arien

Wolfgang Amadeus Mozart:
Arien aus "Don Giovanni", "Le nozze di Figaro", "Die Zauberflöte", "Così fan tutte"
"Linzer" Symphonie C-Dur, KV 425
Christian Gerhaher (Bariton)
Freiburger Barockorchester
Leitung: Gottfried von der Goltz
Label: Sony

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