Der Mailänder Originalklang-Experte Giovanni Antonini ist offenbar ein Langstreckenläufer - an Mut und Ausdauer fehlt es ihm jedenfalls nicht: Bis zum Haydn-Jahr 2032, also zum 300. Geburtstag des Komponisten, will er alle 107 Symphonien Haydns neu einspielen - bei Vollendung des rekordverdächtigen Projekts wäre Antonini bereits im Rentenalter. Diesen Kraftakt teilt er sich zwischen seinem Originalklang-Ensemble Il Giardino Armonico und dem Kammerorchester Basel auf. Nun ist die vierte Etappe des Marathons "Haydn 2032" erreicht.
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CD-Tipp 31.03.2017
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Bei seiner Gesamtaufnahme der Haydn-Symphonien geht Antonini nicht chronologisch vor, sondern mischt frühe mit späten Werken nach thematischen Gesichtspunkten. In der vierten Folge geht es um die Lust am Theatralischen. Die findet man nämlich auch schon in Haydns zwölfter Symphonie, in der zwei launige Ecksätze ein Adagio im empfindsamen Stil rahmen.
Durchgehend überzeugt Antoninis Haydn-Interpretation durch stimmige Tempi, fließenden Duktus und griffige Klanggesten. Die Symphonie Nummer 60 war ursprünglich tatsächlich Theatermusik, die Haydn zur zeitgenössischen Komödie "Il Distratto - Der Zerstreute" beisteuerte. Haydn nimmt den Titel ganz wörtlich und baut Buffo-Elemente wie das vergessene Einstimmen ein - Il Giardino Armonico kostet solche Gags genüsslich aus.
Ebenfalls Teil der Einspielung ist Haydns Symphonie Nr. 70. Der Komponist schrieb sie zur Grundsteinlegung des neuen Opernhauses auf Schloss Esterháza 1779. Zu diesem Anlass musste etwas Repräsentatives her, und entsprechened groß besetzt und prachtvoll instrumentiert gibt sich das Werk. Akademische Formstrenge würzt Haydn hier mit verspielter Rhythmik. Gewitzt greifen Giovanni Antonini und seine famose Truppe Haydns Bälle auf und stellen die drei Themen in der gelehrten Schluss-Fuge kontrastreich aus.
Und da Antonini in seinem Projekt immer auch einen Brückenschlag zu Haydns Umfeld sucht, kombiniert er hier drei Symphonien von ausgesprochen theatralischem Charakter mit einem Intermezzo des damals meistgespielten Opernkomponisten Domenico Cimarosa, einem Vorläufer Rossinis. "Il maestro di cappella" ist eine witzige Parodie auf die Orchesterprobe eines Kapellmeisters alter Schule, der verzweifelt versucht, seine Musiker zu disziplinieren - er hört nur "harmonischen Krach". Zusammen mit dem Bariton Riccardo Novaro präsentieren Antonini und sein brillantes Ensemble diesen Einakter als pfiffiges Kabinettstück. Und es ist jetzt schon absehbar, dass diese klug konzipierte, stilgerechte und originelle Haydn-Edition ein ganz großer Wurf wird.
Joseph Haydn:
Symphonie Nr. 60 C-Dur "Il Distratto”
Symphonie Nr. 70 D-Dur
Symphonie Nr. 12 E-Dur
Domenico Cimarosa:
"Il maestro di capella”, Intermezzo giocoso für Bariton und Orchester
Riccardo Novaro (Bariton)
Il Giardinio Armonico
Leitung: Giovanni Antonini
Label: Alpha