Der 1982 in Leningrad geborene Pianist Alexey Zuev ist bei uns noch ein Geheimtipp - aber das sollte sich mit seiner aktuellen CD ändern. Sie ist beim Eigenlabel des Warschauer Chopin-Instituts erschienen und bietet Klaviermusik nicht etwa von Chopin, sondern von Edvard Grieg. Denn das Motto des Warschauer Festivals, bei dem der Mitschnitt des Grieg-Konzerts entstand, lautet "Chopin and his Europe". Ergänzt wird die CD durch weitere Klavierstücke Griegs, die Zuev, wie das Konzert, auf historischen Hammerflügeln aus dem Besitz des Chopin-Instituts eingespielt hat.
Bildquelle: NIFC
Der CD-Tipp zum Anhören
Kristallin, knackig und trocken klingt der Pariser Erard-Flügel von 1849, auf dem Alexey Zuev das populäre Klavierkonzert von Edvard Grieg aufregend neu interpretiert. Zusammen mit dem Orchestra of the 18th Century, das gleichfalls auf Originalinstrumenten spielt, gelingt dem jungen Russen eine überzeugende Annäherung an die Romantik: improvisatorisch frei, leidenschaftlich und empfindsam - ganz ohne Gefühlsduselei. So viel Melancholie, so viel Poesie hat man in diesem abgespielten Werk lange nicht mehr erlebt. Und: In Zuevs sensibler Interpretation wird nach-vollziehbar, warum man Grieg auch den "Chopin des Nordens" genannt hat.
Gefördert und beeinflusst wurde Edvard Grieg von Franz Liszt - aber wo seine Wurzeln liegen, zeigt nicht nur das Klavierkonzert, sondern auch Zuevs charakteristische Auswahl aus den 66 Lyrischen Stücken von Grieg: Es ist die Liederwelt Robert Schumanns. Für Griegs g-Moll-Ballade, einen für sich stehenden Variationszyklus, wechselt Zuev auf einen heller klingenden Pleyel-Flügel von 1854. Erstaunlich, wie gut dieser klassisch ausgebildete Pianist mit der heiklen Anschlagstechnik und dem Pedalgebrauch auf den alten Tasteninstrumenten zurechtkommt.
Alexey Zuev ist ein grandioses Grieg-Album gelungen, das den Norweger aus der Folklore-Ecke holt. Ein Coup ist das Klavierkonzert, das Zuev und das Orchestra of the 18th Century unter Kenneth Montgomery nicht zum Schlachtross aufzäumen - stattdessen geben sie dem Werk seine Frische, Herbheit und Unschuld zurück. Was im Konzertalltag zum Ölschinken degeneriert ist, schimmert hier wie ein Aquarell. Das gelingt auch deshalb so gut, weil die Klangbalance zwischen dem fragilen Soloinstrument und der erdrückenden Masse in diesem Live-Mitschnitt perfekt austariert ist.
Edvard Grieg:
Klavierkonzert a-Moll op. 16
Ballade für Klavier g-Moll op. 24
Ausgewählte Lyrische Stücke für Klavier
Alexey Zuev (Hammerklavier)
Orchestra of the 18th Century
Leitung: Kenneth Montgomery
Label: NIFC
Sendungsthema aus "Leporello" am 11. April 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK