Bildquelle: Erato/Warner Classics
Die Kostprobe vom 8. Februar 2015
Georg Friedrich Händel - Messiah
Seltsam: Das Stück ist anfangs in der Publikumsgunst nicht so durchmarschiert, wie wir uns das heute vorstellen. Freilich, die Uraufführung von Georg Friedrich Händels Oratorium "Messiah" am 13. April 1741 in Dublin wurde umjubelt. Doch als es ein Jahr später erstmals im eigentlichen kulturellen Zentrum des Vereinigten Königreichs gegeben wurde, in London, waren die Reaktionen allseits verhalten. Den Bigotten, von denen es im puritanisch geprägten England viele gab, war der "Messiah" zu opernhaft, den nicht ganz so Frommen, die es durchaus auch gab, fehlte die dramatische "Action", die man von anderen Händel-Oratorien wie dem "Samson" gewöhnt war.
Und ja: Das Konzept Händels und vor allem seines Librettisten Charles Jennens war etwas Neues: Dem Wesen Jesu Christi auf die Spur zu kommen anhand von minutiös ausgewählten Bibel-Texten größtenteils aus dem Alten Testament, nahezu ohne Verwendung der Evangelien. Keine konkrete Lebensbeschreibung also, sondern eigentlich eine große Text-Musik-Meditation über den Erlöser, eine "Schau" in einem durchaus mystischen Sinne. Stark, emotional sind diese Texte gleichwohl, und sie müssen Händel, dieses Genie der musikalischen Emotionsschilderung, tief bewegt haben. Jedenfalls inspirierten sie ihn zu vielen seiner berührendsten Eingebungen, von archaisch herben Chorfugen über todtraurige Klagegesänge bis zu schwärmerischen, zärtlichst hingegebenen Arien.
Chor und Orchester des Originalklang-Ensembles Le Concert d'Astrée unter der Leitung von Emmanuelle Haïm nehmen sich der deutsch-englischen Oratorien-Koproduktion mit französischer Clarté an. Lichterfüllt ist dieser "Messiah" und warmherzig zugleich, vital, voll unaufdringlich beredter Klangrede, gestisch ohne Faxen, präzise im gleichwohl atmenden Zusammenspiel. Die Solisten glänzen mit lupenreinem Gesang und überraschen durch geschmackvolle Verzierungen. Eine Offenbarung: das hier einmal nicht von präpotenten Gesangsstimmen an den Rand gedrängte, sondern hörbar gleichberechtigte Orchester. Was für eine feine kompositorische Substanz sich da regt!
Mit musikalischer Meisterschaft und innerer Beteiligung haben Emmanuelle Haïm und ihre Mitstreiter den Firnis von einem tendenziell "abgenudelten" Stück abgetragen und wunderbare, leuchtende Farben freigelegt. Dass Händels Geniestreich wenige Jahre nach dem durchwachsenen Start seinen bis heute andauernden Siegeszug antrat, hier wird's begreiflich. Ob der übersättigte Musikmarkt die hundertste Einspielung des "Messiah" wirklich dringend braucht, darüber ließe sich vielleicht pointiert streiten. Aber wenn man ihn denn machen muss, dann bitte unbedingt so.