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CD - Hanns Eisler Original Motion Picture Scores

Er komponierte die Hymne der ehemaligen DDR, war Schüler von Arnold Schönberg und lebte während der Nazi-Herrschaft in Hollywood: Dort schrieb er neben Liedern, Kammermusik sowie Orchester- und Bühnenwerken auch Filmkompositionen. Und er verfasste zusammen mit Theodor W. Adorno sogar ein Buch über den richtigen Umgang mit Filmmusik. Jetzt erschien eine Neueinspielung mit bis dahin selten zu hörenden Filmmusiken von Hanns Eisler.

Bildquelle: Capriccio

CD-Tipp 03.04.2017

Der CD-Tipp zum Anhören

Kein Zweifel: Hanns Eislers Verhältnis zur Hollywood-Traumfabrik war kein ungetrübtes. Das zeigt schon der sogenannte "Main Title" zu Fritz Langs Anti-Nazi-Film "Hangmen also die" - "Auch Henker müssen sterben": Man hört den anti-kommerziell eingestellten Komponisten buchstäblich nach dem richtigen Tonfall suchen. Und weil dieses Projekt eben nicht - wie die "Begleitmusik zu einer Lichtspielszene" seines Lehrers Arnold Schönberg - reines Planspiel war, sondern eine reale Kino-Produktion, musste Eisler den Spagat leisten zwischen künstlerischem Selbstanspruch und demjenigen des Publikums. Daher der spätromantisch-expressive Gestus seiner Titelmusik - der dann allerdings ein zwölftönig basiertes "Largo" im Stil der Zweiten Wiener Schule folgt - mündend in den berühmten "zehnstimmigen Akkord", den Eisler und Adorno später in ihrem gemeinsamen Buch "Composing for the Films" so leidenschaftlich und idealisierend diskutierten: als dissonante Gegenmaßnahme zu Hollywoods Gefühls-Stereotypen.

Kontrapunktischer Filmmusik-Ansatz

Zwar zählt dieser Akkord in Wirklichkeit nur ganze sieben Stimmen, aber das nur am Rande. Wahr ist, dass Eisler für diese Musik 1944 eine Oscar-Nominierung erhielt. Wahr ist auch, dass er mit seinem kontrapunktischen Filmmusik-Ansatz tatsächlich interessante Alternativen zu gängigen Hollywood-Klischees bot und hierbei mitunter holzschnittartig knapp verfuhr, wie sein 10-sekündiges Kürzel für den Nazischlächter Heydrich zeigt: "Brillant kreischende Sequenz" heißt es hierzu in Eislers und Adornos gemeinsamem Buch, woraus vor allem der Theoretisierer Adorno spricht. Eisler dagegen, das führt diese CD sehr schön vor Ohren, war Vollblutmusiker und Pragmatiker.

Stil-Idiome als Chiffre

Und ironischerweise greift Eisler in der Liebesszene aus "Hangmen also Die" genau jenes Hornmotiv aus Tschaikowskys "Fünfter" auf, das Adorno als kitschtriefendes Hollywood-Idiom verspottete. In dieser spätromantischen, an Gustav Mahler erinnernden Musik zeigt sich einmal mehr Eislers pragmatische Fähigkeit, auch mit Stil-Idiomen zu arbeiten und sie als eine Art Chiffre zu benutzen - nämlich im vorliegenden Fall für Lüge und die widerstreitenden Gefühle der Hauptdarstellerin.

Sehr hohes Niveau

All diese Filmbeiträge Hanns Eislers nun dem breiteren Publikum zugänglich zu machen, ist das große Verdienst dieser neuen CD. Unter der Leitung von Johannes Kalitzke knüpft das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin damit an frühere wichtige Filmmusik-Beiträge an - auf einem musikalischen Niveau, das demjenigen symphonischer Repertoirepflege in nichts nachsteht.

Hanns Eisler: Original Motion Picture Scores

"Hangmen also Die"
"The 400 Million"
"The Grapes of Wrath"
"Kleine Sinfonie"
"Hörfleißübung"

Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Leitung: Johannes Kalitzke

Label: Capriccio

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