Eine Langstreckenwanderung zu einem der Gipfel der Renaissance: Jan Katzschke spielt die Goldberg-Variationen des 16. Jahrhunderts.
Bildquelle: Querstand
Die Kostprobe vom 17. Januar 2016
Der CD-Tipp zum Nachhören!
Eine unsterbliche Melodie, über 450 Jahre alt. Ein Lied über Adam, Eva und den Sündenfall, über die Menschwerdung Christi und die wiedergewonnene Freude an der Natur: "Ich ging einmal spazieren", hieß es im 16. Jahrhundert. Noch heute wird die Melodie, allerdings mit anderen Texten, in den Kirchen gesungen.
Hans Leo Haßler, geboren 1564 in Nürnberg, einer der gefragtesten Komponisten seiner Zeit, hat Variationen über das Lied geschrieben. Aber nicht einfach irgendwelche, nicht sechs oder acht, wie es seine Zeitgenossen gemacht hätten, sondern sage und schreibe 31 - einen großangelegten Cembalo-Zyklus also zu einer Zeit, als die Instrumentalmusik noch laufen lernte, ein Gipfelwerk der Spätrenaissance. Haßler weitet den im Lied thematisierten Spaziergang aus zu einer knapp 40-minütigen Wanderung, bei der die einzelnen Etappen nahtlos ineinander übergehen. Keine gleicht der anderen, sogar bei den Wiederholungen der Halbstrophen beschreitet Haßler andere Wege, scheint sich manchmal auf einsamen Nebenpfaden zu verirren, streift sogar das Terrain anderer Lieder - findet aber immer wieder zum Thema zurück, so wie auch der sündige Mensch immer wieder zu Gott zurückkehrt.
Mal nachdenklich dahinschlendernd, dann wieder entschlossen voranschreitend - Jan Katzschke ist der ideale Wanderführer durch Haßlers Welt. Der Dresdner Cembalist zieht im Gleichmaß los, kostet dann aber auch die bizarren Seiten der Klanglandschaft aus, verliert dabei nie die Orientierung, sondern hat stets die ganze Route im Blick, bis hin zum strahlend virtuosen Ziel.
Durch geschickte Phrasierung und Registerwechsel versteht es Jan Katzschke, sein einmanualiges Cembalo in den vielfältigsten Nuancen schimmern zu lassen. Und als wäre das alles noch nicht farbenprächtig genug, gibt es noch Zugaben auf zwei anderen Tasteninstrumenten: zunächst zwei von Haßlers Kontrapunktstudien auf einem schnarrenden Regal und zum krönenden Abschluss ein Magnificat auf einer barocken Zuberbier-Orgel. So gelingt Katzschke ein facettenreiches Porträt eines bis heute unterschätzten Komponisten, der den Weg bereitet hat für Bachs Goldberg- und Beethovens Diabelli-Variationen.
Ich gieng einmal spatieren, Canzon in d, Ricercar del secondo tono, Magnificat quarti toni
Jan Katzschke
Label: Querstand