Was für eine sinnliche, und zwar nicht nur klangsinnliche Musik, die Hieronymus Praetorius da vor rund vierhundert Jahren geschrieben hat. Und passend zum Text: "Komm, meine Schöne, lass uns aufs Feld hinausgehen, dass wir sehen, ob die Granatbäume blühen; da will ich dir meine Liebe geben, denn Du bist schön, meine Freundin."
Bildquelle: Archiv Produktion
CD-Tipp 13.06.2015
Der CD-Tipp zum Nachhören!
Der Sohn, Jakob Praetorius, konnte es – ganz in den Fußstapfen des Vaters – auch nicht schlecht. Wie er die schmachtenden Blicke eines hoffnungslos Verliebten, seine leisen Seufzer des kleinen Todes genüsslich in Töne setzte, das ist nicht unzweideutig. "Wende Deine Augen von mir, denn sie verwirren mich. Du hast mir das Herz genommen, liebe Braut."
Vertonen ließen sich solche Texte im frühen 17. Jahrhundert durchaus im geistlich protestantischen Gewand, handelt es sich doch um Verse aus der Bibel, nämlich aus dem "Hohelied Salomos". Dass diese Sammlung von zärtlichen, zum Teil höchst erotischen Liebesliedern auf Komponisten aller Epochen überaus inspirierend wirkte, ist wenig verwunderlich. Der 37-jährige spanische Dirigent Pablo Heras-Casado hat jetzt neun Motetten aus der Zeit des Übergangs von der Spätrenaissance zum Barock in einer großartigen Aufnahme mit dem Balthasar-Neumann-Chor und -Ensemble vorlegt. Gedacht waren diese wunderbar klangprächtigen Liebeslieder – denn um solche handelt es sich letztlich – wohl für Hochzeitsfeierlichkeiten. Heras-Casado erfüllte sich mit diesem Praetorius-Projekt einen langgehegten Herzenswunsch. Seit er mit 19 Jahren in der Spanischen Nationalbibliothek auf die unbekannten Hohelied-Vertonungen stieß, träumte er davon, sie aufzuführen. Verstehen kann man das sofort, denn was Michael, Hieronymus und Jacob Praetorius – Verwandte nur die beiden letzteren – da im frühen 17. Jahrhundert komponierten, ist wirklich grandios.
Diese Musik verströmt eine Leidenschaft, eine Lebens- und Sinnenfreude, die alles andere als altmodisch wirkt, vielmehr auch den heutigen Hörer unmittelbar anspringt. Für Heras-Casado tönt aus ihr "etwas Menschliches, körperlich Erfahrbares und Genussvolles", besitzt sie ein "sehr anrührendes, tief emotionales Gepräge". Dem kann man vorbehaltlos zustimmen, zumal wenn diese Praetorius-Motetten, die kurz vor dem Dreißigjährigen Krieg und während dieses großen Schlachtens komponiert wurden, so mitreißend und klangschön umgesetzt werden wie hier vom Balthasar-Neumann-Chor und -Ensemble.
Hieronymus Praetorius:
Magnificat quarti toni
Quam pulchra es
Jacob Praetorius:
Indica mihi
Hieronymus Praetorius:
Surge propera amica mea
Michael Praetorius:
Magnificat per omnes versus super ut re mi fa sol la
Jacob Praetorius:
Quam pulchra es
Hieronymus Praetorius:
Vulnerasi cor meum
Michael Praetorius:
Nigra sum et Formosa
Hieronymus Praetorius:
Tota pulchra es
Jacob Praetorius:
Veni in hortum meum
Hieronymus Praetorius:
O quam pulchra es
Balthasar-Neumann-Chor und -Ensemble
Leitung: Pablo Heras-Casado
Label: Archiv Produktion