30 Jahre nach der Gründung seines Originalklangensembles "Le Concert Spirituel" steht der Ensembleleiter Hervé Niquet im Zenit seines Schaffens. Keiner in der französischen Alte Musik-Szene ist derzeit spannender, zupackender und genauer als der Cembalist, Sänger, Chorleiter und Dirigent Hervé Niquet – weder Marc Minkowskis "Les Musiciens du Louvre" noch Christophe Roussets "Les Talens Lyriques". Seine Ausnahmestellung im französischen Musikleben verdankt Niquet seinem enormen Sendungsbewusstsein und seiner geradezu besessenen Detailarbeit.
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Der CD-Tipp zum Anhören
Hervé Niquets neuester Geniestreich ist Jean-Baptiste Lullys Heldenoper "Persée". Allerdings nicht in der Fassung der Uraufführung von 1682, sondern in der Fassung von 1770 anlässlich der Hochzeit Marie Antoinettes mit dem späteren König Ludwig XVI. Lullys überaus erfolgreiche Tragédie en Musique wurde allerdings rund 90 Jahre später nicht als unantastbar betrachtet. Lullys Nachfolger bei Hofe veränderten rund 50 Prozent des Notenmaterials, strichen, ergänzten und passten es dem Zeitgeschmack an. Was aus dieser posthumen Teamarbeit herauskam, ist eine der schönsten französischen Barockopern überhaupt.
Die Handlung ist, wie so häufig in der Barockoper, hanebüchen und voller unglaubwürdiger Wendungen, mit königlichem und göttlichem Personal. Hier ist es der Göttersohn Perseus, der, um die Hand der Prinzessin Andromeda zu gewinnen, diverse Heldentaten vollbringen muss. Das Haupt der Medusa abschlagen, Meerungeheuern im Sturme trotzen und eine königliche Intrige zerschlagen. Aufgaben, die Perseus bis zum Hochzeits-Happyend mit Bravour bewältigt. Und die jede Menge Anlass für barocken Bühnenzauber, Kostümexzesse, Tanzeinlagen und herrliche Chorszenen bieten.
Vielleicht liegt es am genius loci. Denn im prachtvollen königlichen Theater von Schloss Versailles zündet Hervé Niquet ein wahres Feuerwerk der Emotionen und musikalischen Höhepunkte. Sein Tempo und Timing sind umwerfend. Und ebenso mitreißend ist Niquets Umgang mit dem Sängerensemble, das nicht zur ersten Garde der französischen Oper zählt, aber das er zu Höchstleistungen anspornt. Wundervoll präzise Rezitative wechseln mit gefühlvollen Duetten und Terzetten und aufwühlenden Chorszenen. Und das dreisprachige Booklet-Buch dazu ist so üppig ausgestattet wie eine Barockoper. Lullys "Persée 1770" mit Hervé Niquet und den formidablen Musikern von "Le Concert Spirituel" ist ein Must have für Opernfans.
Solisten: Mathias Vidal, Hélène Guilmette, Katherine Watson, Tassis Christoyannis, Jean Teitgen, u. a.
Le Concert Spirituel
Leitung: Hervé Niquet
Label: Alpha