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CD - Igor Levit "Life"

Der Pianist Igor Levit zählt ohne Frage zu den schillerndsten Persönlichkeiten des zeitgenössischen Musikbetriebs. Sein Repertoire ist ausgesprochen breit gefächert. Levits Bach- und Beethoven-Einspielungen trugen ihm viel internationale Anerkennung ein. Gleichzeitig ist er ein Künstler mit ausgesprochenem Sendungsbewusstsein, wortgewandt und interessiert am Dialog mit dem Publikum. "Life" heißt jetzt eine neue Doppel-CD.

Bildquelle: Sony Classical

Der CD-Tipp zum Anhören

Und weshalb dieses "Life" mit "f" geschrieben wird, das ergibt sich aus dem Klavierstück des Amerikaners Frederic Rzewski mit dem Titel "A Mensch". Es entstand als Reaktion auf den Tod des engen Freundes und New Yorker Performance-Künstlers Steve Ben Israel. Dieser war kurz vor seinem Tod 2012 mit einem Sieben-Skunden-Drama aufgetreten, in dem er die Worte rezitierte "To be a mensch! That is the answer". Die Antwort aber auf was? Levits lakonisch-knappe Antwort hierauf lautet "Life". Und so knapp dieser Titel sein mag, so verzweigt sind die Pfade, auf die sich der Pianist bei seiner Suche nach dem tieferen Sinn des Lebens begibt – ausgelöst ebenfalls durch den frühen Unfalltod eines Freundes. Busoni, Schumann, Liszt, Wagner und der Jazzer Bill Evans begegnen einem da; und natürlich auch: Johann Sebastian Bach.

Verklärendes Musik-Manifest

In Johannes Brahms' Transkription der Bach'schen "Chaconne" für die linke Hand findet Igor Levit ein gleichermaßen lebensbejahendes wie verklärendes Musik-Manifest vor, das er mit beeindruckendem Klangsinn und geschmackvollem Pedalgebrauch zelebriert. Die Akustik der fast schon legendären Berliner Jesus-Christus-Kirche und ein gut intonierter Steinway-Flügel tragen das ihre zu dieser intim-besinnlichen Einspielung bei.

Igor Levit im BR

Am 25. und 26. Oktober gastiert Igor Levit beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.
Unter der Leitung von James Gaffigan interpretiert er das Klavierkonzert Nr. 3 von Ludwig van Beethoven.

Konflikt menschlicher Schicksalsmächte

Von Bach führt die Reise, die der Interpret im Booklet mehrfach als "stille Post" charakterisiert, weiter zu Robert Schumanns "Geister-Variationen" – einem jener Musikdokumente, die nachweislich zwischen Wahn und Wirklichkeit entstanden, kurz bevor sich Schumann nach einem Selbstmordversuch in die Nervenheilanstalt Endenich einliefern ließ. Auch Franz Liszt als der Hohepriester musikalischer Transzendenz darf auf dieser hintergründigen, persönlich-assoziativ gestalteten Klavierreise nicht fehlen. In der ursprünglich für Orgel komponierten "Fantasie" über den Choral "Ad nos, ad salutarem undam" aus Meyerbeers Oper "Le Prophète" spiegelt sich – nach Igor Levits Interpretation – der prototypische Konflikt menschlicher Schicksalsmächte wider - mit entsprechend pianistischem Klangpotential.

Vielfältiges Konzeptalbum

Von Franz Liszts dramatisch-extrovertiertem Tongemälde führt die Erkundungsreise schließlich über Ferrucio Busonis elegische "Berceuse" zu Bill Evans' jazzig inspirierter Improvisation über zwei benachbarte Akkorde. Sie trägt den verspielten Titel "Peace Piece" – Friedensstück. Oder in Igor Levits Lesart "Dona nobis pacem". Insgesamt ist "Life" ein Konzeptalbum, das sich vielleicht nicht jedem auf Anhieb erschließt, aber das in jedem Fall eine breite Palette pianistischen Könnens zeigt und zum Zuhören zwingt.

Igor Levit - "Life"

Johann Sebastian Bach / Feruccio Busoni: Fantasie BWV 253
Johann Sebastian Bach / Johannes Brahms: Chaconne aus BWV 1004
Frederic Rzewski: "A Mensch" aus "Dreams I"
Robert Schumann: Variationen Es-Dur "Geister-Variationen"
Richard Wagner / Franz Liszt: Feierlicher Marsch zum heiligen Gral aus "Parsifal"
Giacomo Meyerbeer / Franz Liszt: Fantasie & Fuge über den Choral "Ad nos, ad salutarem undam"
Feruccio Busoni: Berceuse aus den Elegien op. 7
Bill Evans: "Peace Piece"

Igor Levit (Klavier)

Label: Sony Classical

Sendung: "Leporello" am 18. Oktober 2018, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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