So hat man die Fanfare aus Leos Janáčeks Sinfonietta wohl noch nicht gehört. Janáceks letztes abgeschlossenes Werk für Orchester, 1926 anlässlich eines Turnfestes in Prag komponiert, kommt in der Regel ziemlich martialisch daher. Schließlich hat der Komponist es der tschechoslowakischen Armee gewidmet und bezeichnete es selbst gern als Militärische Sinfonietta.
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CD Tipp 29.09.2015
Der CD-Tipp zum Nachhören!
Bildquelle: Alpha Doch unter der Leitung von Jos van Immerseel gerät der komplexe und schwer zu spielende Bläsersatz der 9 Trompeten, 2 Bass-Trompeten und 2 Tenor-Tuben samt Kesselpauke nicht verwegen kämpferisch, sondern beinahe warmherzig. Wehrhaft schon, aber nicht kriegerisch. Der besondere Bläserklang wird auf historischen Instrumenten aus Tschechien, Deutschland, Russland, Frankreich und Österreich erzeugt, die damals durchaus gemeinsam in Militärkapellen erklangen – trotz untergegangener k.u.k.-Monarchie. Außerordentliche Klangfarben sind auch in den drei mittleren Sätzen von Janáčeks Sinfonietta zu hören, etwa wenn im dritten Satz die hohen Bratscherstimmen auf Darmsaiten intoniert werden.
Jos van Immerseel hat es sich zur Aufgabe gemacht, altbekannte sinfonische Werke authentisch aufzuführen, und zwar so wie sie dem Komponisten vorgeschwebten und bei der Uraufführung geklungen haben mögen. Das gelingt ihm auch eindrücklich bei Antonin Dvořáks berühmter Symphonie "Aus der Neuen Welt", die aufgrund ihrer böhmischen Musiksprache sehr gut mit Janáčeks Sinfonietta harmoniert.
Anima Eterna Brügge beeindruckt mit differenziert warmem Klang, präziser Rhythmik und ausgefeilter Dynamik. Dass Dvořáks 9. Symphonie hier so ungewohnt neu und anders klingt, liegt nicht nur an der Benutzung historischer Instrumente, sondern auch an der intensiven musikwissenschaftlichen Recherche über die damaligen Spieltechniken. So studierten Jos van Immerseel und die Cellistin Hilary Metzger im Archiv der New York Philharmonics die handgeschriebenen Stimmsätze der Uraufführung von 1893, die ihnen neue Erkenntnisse in Bezug auf Fingersätze, Stricharten und Artikulationen gaben. Und sie fanden anhand zeitgenössischer Fotos und Skizzen heraus, dass die Aufstellung des Orchesters anders war. Anima Eterna hat wie damals die Gruppe der Bässe geteilt, was zu einem stärker vermischten Klangbild führt als üblich.
Dvořáks berühmteste Symphonie steht sicherlich in den meisten CD-Regalen der Klassikliebhaber. Doch sollte man sich diese Interpretation des umtriebigen Belgiers Jos van Immerseel ruhig danebenstellen. Sie ist herausragend, empfindungsvoll und beseelt.
Leos Janáček:
Sinfonietta
Antonín Dvořák:
Symphonie Nr.9 "Aus der Neuen Welt"
Anima Eterna Brugge
Leitung: Jos van Immerseel
Label: Alpha