Wann er geboren wurde, weiß man nicht – wie bei so vielen Musikern des ausgehenden Mittelalters. Um 1450 wohl in der Nähe von Brügge. Auch über die ersten 35 Jahre im Leben des Heinrich Isaac ist fast nichts bekannt. Erst als er 1485 am Hof der Medici in Florenz auftaucht, fällt ein wenig Licht auf die Biographie dieses Komponisten, der zu den größten seiner Zeit gehörte und von den Zeitgenossen auch als solcher gesehen wurde.
Bildquelle: Evidence
CD Tipp 10.05.2016
Der CD-Tipp zum Nachhören!
Wie groß sein Ansehen war, lässt sich schon aus der – im Vergleich zu vielen Zeitgenossen – gewaltigen Zahl überlieferter Werke schließen. Allein 35 Messvertonungen haben das halbe Jahrtausend seit seinem Tod überdauert, zahllose Motetten und andere geistliche Werke, viele Lied- und Instrumentalsätze, der bekannteste sicher das wunderschöne "Innsbruck, ich muss Dich lassen". Ob er die Stadt tatsächlich so geliebt hat, dass ihm – wie der Text meint – "all Freud genommen" war, als er sie verließ, ist zumindest fraglich. Weit enger nämlich war Isaacs Verbindung zu Florenz. Lorenzo der Prächtige hatte ihn geholt und nach Kräften gefördert, Isaac sogar eine Frau besorgt. Das Verhältnis muss eng gewesen sein. Als Lorenzo 1492 stirbt, findet Isaac in Kaiser Maximilian I. einen neuen Dienstherrn, der ihn u.a. eben nach Innsbruck holt. Doch die Liebe zu Florenz bleibt, auch später verbringt Isaac dort Jahre seines Lebens und stirbt 1517 in der toskanischen Metropole.
1979 gründete der französische Tenor und Spezialist für Alte Musik Dominique Vellard das Ensemble Gilles Binchois, das er seit nunmehr fast vier Jahrzehnten leitet. Vellard hat sich mit seinen Musikerinnen und Musikern auf das Mittelalter und die Renaissance spezialisiert, das Spektrum reicht vom frühen gregorianischen Choral bis zu jener Musik, die im 17. Jahrhundert an den Höfen in Burgund und Flandern gepflegt wurde. Frankreich und seine Musik ist ein Schwerpunkt, doch auf den mehr als 35, vielfach ausgezeichneten Platten und CDs, die das Ensemble Gilles Binchois veröffentlicht hat, finden sich auch portugiesische, spanische oder englische Komponisten.
So groß der Ruhm, so umfangreich die Überlieferung, so wenig ist von Heinrich Isaacs riesigem Werk auf CD greifbar, von seinen 35 Messvertonungen gerade eine Handvoll. Von daher kommt die wunderbare Neuaufnahme von Isaacs "Missa Virgo prudentissima" durch das Ensemble Gilles Binchois unter Dominique Vellard gerade recht, um ein Jahr vor dem fünfhundertsten Todestag die Größe dieses franko-flämischen Meisters in Erinnerung zu rufen. Schon kurz nach seinem Tod nannte man ihn einen Meister der "ars perfecta", und perfekt war Isaacs Kunst in der Tat. Und sehr besonders – durch die Verschmelzung franko-flämischer, deutscher und italienischer Stilmittel, die die Folge seiner außergewöhnlichen Biographie war. Man kann sich einfach fallen lassen bei dieser Musik und ein Gefühl für eine Zeit entwickeln, die sicher nicht besser, gewiss aber unendlich viel ruhiger und langsamer war, als unsere heutige. Allein deshalb lohnt es, diese 65 Minuten Musik zu hören.
Ensemble Gilles Binchois
Leitung: Dominique Vellard
Label: Evidence