Eine außergewöhnliche Veröffentlichung, gleich die ersten Takte lassen daran keinen Zweifel. Dabei würde man das bei den Sonaten für Klavier und Violine von Johannes Brahms kaum erwarten. Die wurden so oft aufgenommen, dass jede weitere Neueinspielung gute Argumente auf ihrer Seite haben sollte.
Bildquelle: Harmonia Mundi
Der CD-Tipp zum Nachhören!
Der Pianist Alexander Melnikov und die Geigerin Isabelle Faust, seit Jahren eines der interessantesten Kammermusik-Duos überhaupt, haben gute Argumente. Wer mit Brahms und Schumann automatisch einen balsamisch romantischen Geigenton und den satten Klang des Steinway-Flügels verbindet, muss sich umstellen. Melnikov spielt auf einem Flügel, der ein Jahrzehnt älter ist als die beiden Brahms-Sonaten, ein Bösendorfer aus dem Jahr 1875. Isabelle Faust hat auf ihre wunderbare Stradivari von 1704 jene Darmsaiten aufgezogen, für die das Instrument vor gut drei Jahrhunderten auch gebaut wurde. Allein das verändert vieles.
Der Klang des alten Bösendorfers ist weich, weniger analytisch und trennscharf als der eines modernen Flügels, dafür allerdings deutlich farbiger. Wie eine auratische Klangwolke umhüllt er den Geigenton der Stradivari. Und doch hat man nie den Eindruck, das leicht wattierte Klangbild ginge auf Kosten der Transparenz. Was nicht nur an der exzellenten Aufnahmetechnik liegt. Isabelle Faust spielt mit sparsamstem Vibrato, schlanker Tongebung und extrem beweglich. Selten hatte man derart das Gefühl, Brahms bei seiner intensiven Arbeit mit kleinsten Motiven über die Schulter zu schauen, zu erleben, wie sich bei ihm eines aus dem anderen entwickelt. Trotzdem spannen die beiden Bögen, verlieren sich nie in Detailhuberei. Und selten kann man zwei so gleichberechtigten Kammermusikpartnern lauschen und eben nicht einer Geigerin, die von einem Pianisten begleitet wird. Melnikow und Faust nehmen Brahms beim Wort: Sonaten für Klavier und Violine, nicht andersherum.
Zur zweiten und dritten Brahmssonate, zwei sehr unterschiedlichen Werke, finden Melnikov und Faust einen jeweils ganz individuellen Zugang. Die A-Dur-Sonate, für Brahms’sche Verhältnisse Musik fast heiterer Stimmung, blüht auch oder gerade ohne Dauer-Vibrato wunderbar gelöst und musikantisch. In der d-Moll-Sonate hingegen werden die von Brahms auskomponierten Spannungen und Konflikte offen ausgetragen und immer wieder ins finster Dramatische gesteigert.
Ein echter Gewinn sind auch die restlichen Werke: die drei schönen, herbstlichen Romanzen op.94 von Robert Schumann und die sogenannte F.A.E.-Sonate, ein ziemlich solitäres Gemeinschaftsprodukt. Brahms, Schumann und dessen Schüler Albert Dietrich schufen sie unter dem Motto "frei, aber einsam" für den großen Geiger Joseph Joachim. Mag sie auch leicht disparat wirken, in einer derart hochkarätigen Interpretation ist die Sonate eine echte Entdeckung.
Johannes Brahms:
Sonate für Klavier und Violine Nr. 2 A-Dur, op.100
Sonate für Klavier und Violine Nr 3 d-Moll, op.108
Robert Schumann:
Drei Romanzen op. 94
Dietrich/Schumann/Brahms:
"F.A.E."-Sonate
Isabelle Faust (Violine)
Alexander Melnikov (Klavier)
Label: Harmonia Mundi