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James Horner "Pas de Deux"

Der "Titanic"-Filmmusikkomponist James Horner kam am 22. Juni 2015 61-Jährig bei einem Flugzeugabsturz in Kalifornien ums Leben. Kurz nach seinem Tod erschien sein fantastisches Doppelkonzert "Pas de deux" auf CD.

James Horner - Pas des Deux | Bildquelle: Mercury Classics

Bildquelle: Mercury Classics

CD Tipp 10.06.2015

Der CD-Tipp zum Nachhören!

Die norwegischen Geschwister Mari und Håkon Samuelsen musizieren zusammen, seit sie denken können. Sie auf der Geige, er auf dem Violoncello. Und sie tun dies in allen großen Konzerthäusern der Welt. Zum 175. Geburtstag des Royal Liverpool Philharmonic Orchestra im November 2014 haben die beiden dem Orchester ein besonderes Geschenk zum Jubiläumskonzert mitgebracht: ein Auftragswerk an James Horner, betitelt mit "Pas de deux". Mitte Mai erst erlebte das Werk im neuen Konzerthaus von Stavanger im Rahmen eines Galakonzerts mit Filmmusiken von James Horner seine gefeierte norwegische Premiere. Ganz nebenbei haben Mari und Håkon Samuelsen damit die kleine musikalische Welt der Doppelorchester für diese beiden Instrumente erweitert. Jetzt ist "Pas de deux" in der Uraufführungsbesetzung von Liverpool auf CD erschienen.

Auftrag für den Filmmusiktitan

Ein zartes, schüchternes Annähern von Violine und Violoncello vor einer Streicherkulisse, die wie aus einer anderen Welt herüberzuklingen scheint... Was hier so intim beginnt, entwickelt sich in drei in ineinander übergehenden Sätzen zu einem zunächst melancholischen, schließlich jedoch wild-leidenschaftlichen Pas de deux zweier Instrumente, die unbedingt miteinander wollen, dafür jedoch von den Komponisten ziemlich im Stich gelassen wurden: Wenn sich, wie im Falle der norwegischen Geschwister Mari und Håkon Samuelsen, Violine und Violoncello zum musikalischen Duett vereinen wollen, dann müssen sie zumeist auf Brahms oder die seltener gespielten Werke etwa eines Saint-Saens oder Delius zurückgreifen. Das war's! Zu wenig - befand das Geschwisterpaar und gab ein Doppelkonzert in Auftrag. Ausgesucht haben sie sich nicht irgendeinen Komponisten, sondern James Horner, den Filmmusiktitanen. Denn - das war die Bedingung - das Werk solle nicht intellektuell verstiegen sein, sondern berühren, mitreißen. Eine sichere Wahl, denn Emotionen zu schüren mit Mitteln aus der ganzen Welt der Musik - das ist James Horners Domäne.

Rhapsodie mündet in Poème l'extase

Diesmal lief der Film beim Komponieren des Stücks "Pas de deux" also ganz und gar im Kopf des Titanic- oder Avatar-Filmmusikkomponisten ab. "Pas de deux" will abstrakt sein, doch unwillkürlich entstehen beim Hören vor dem geistigen Auge Bilder von Landschaften, durchaus von der norwegischen Heimat der Musikergeschwister Mari und Håkon Samuelsen geprägt: Die Gedanken schweben über endlose Weiten, stille Täler, tiefe Seen und beeindruckende, majestätische Bergpanoramen. Nicht zu überhören sind mannigfache Anklänge insbesondere an Komponisten wie Holst, Vaughan-Williams, Britten oder Gorécki. James Horner hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er aus dem unendlichen Kosmos klassischer Musik schöpft, sich davon inspirieren lässt. Und auch wenn manch einem das Werk zu elegisch, zu verträumt, zu plakativ vorkommen mag - in der Klassik-Kritik wird da gerne vorschnell die Begriffskeule "Kitsch" geschwungen - "Pas de deux" läßt die beiden exzellenten Solisten gemeinsam mit dem Royal Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Vasily Petrenko eine große, knapp halbstündige farbenreiche Rhapsodie singen. Eine Rhapsodie, die die Choreographie einer Liebeserklärung zweier Instrumente musikalisiert, die in einem Poème de l'extase mündet.

Konzeptalbum zweier junger Wilder

Die Geigerin Mari und ihr Bruder, der Cellist Håkon Samuelsen haben sich für ihre CD nicht mit einem Auftragswerk für ihre beiden Instrumente begnügt, sondern "Pas de deux", man könnte sagen, gleich gesinnte Werke von Arvo Pärt, Ludovico Einaudi und Giovanni Sollima hinzugefügt - allesamt in Bearbeitungen für ein oder zwei Soloinstrumente plus Orchester, das in diesen drei Werken von Clark Rundell dirigiert wird. Entstanden ist ein mutiges postminimalistisches Konzeptalbum gestandener Komponisten. Hier trauen sich zwei junge Wilde aus dem hohen Norden Melancholie und Meditation durch den Katalysator musikalischer Hypnose zu schicken. Und das tun sie bei vollem Bewusstsein. Eine CD wie ein Statement!

James Horner - "Pas de Deux"

James Horner:
"Pas de Deux"
Arvo Pärt:
"Fratres"
Giovanni Sollima:
"Violoncelles, Vibrez!"
Ludovico Einaudi:
"Divenire"
Mari Samuelsen (Violine)
Håkon Samuelsen (Violoncello)
Royal Liverpool Philharmonic Orchestra
Leitung: Vasily Petrenko und Clark Rundell
Label: Mercury Classics

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