Wie aus dem Nichts entwickeln sich die ersten Töne des Chorstücks "Path of Miracles" des 1971 in Wimbledon geborenen Komponisten Joby Talbot. Liegende Töne, eine Klangfläche, produziert von tiefen Stimmen, die sich melismatisch nach oben schrauben, um schließlich in eine Anrufung des Heiligen Jakobus zu kulminieren.
Bildquelle: Harmonia Mundi
CD-Tipp 11.07.2015
Der CD-Tipp zum Nachhören!
Joby Talbots 2005 entstandenes Werk "Pfad der Wunder" ist ein großes, viersätziges Gebet, gesangstechnisch außerordentlich anspruchsvoll und nur von einem erstklassigen Vokalensemble zu meistern. Anspruchsvoll freilich auch für die Zuhörer, die sich auf diesen musikalischen Jakobsweg einlassen müssen. Die Belohnung ist ein Klangerlebnis der besonderen Art. Vier der Hauptetappen der Pilgerroute – Roncesvalles, Burgos, Léon und Santiago de Compostela – bilden die geographische Verortung dieser a-capella-Komposition für 17 unabhängige Vokalstimmen und gestimmte Zimbeln.
Die Inspiration für dieses Auftragswerk hat sich Joby Talbot an den Originalschauplätzen geholt, um anschließend das Erlebte in Musik zu fassen: die Wolken der Pyrenäen, die mittelalterlichen Straßen von Roncesvalles, die Reliquien von Burgos, die Störche auf den Kirchtürmen von Léon, die Abendsonne, wie sie durch zahllose Kirchenfenster scheint. Schließlich stellt sich das Gefühl ein, etwas Größeres spüren zu können - an jener Säule der Kathedrale von Santiago de Compostela, an der Generationen von Pilgern seit Hunderten von Jahren in eine Aushöhlung fassen. "Die Verbindung zur Vergangenheit schien greifbar", schreibt Talbot im Booklet zur CD.
Joby Talbot schöpft aus einem schier endlosen Fundus kompositorischer Ideen und er lotet damit die Möglichkeiten der menschlichen Stimme und den Reichtum ihrer Klangfarben auf vielfältige Weise aus. Reibungen, Cluster und Glissando-Effekte gehören zum musikalischen Gepäck auf diesem Pilgerweg ebenso wie Hymnen und kontemplative Teile. Der Text bezieht sich auf Zitate aus der Bibel sowie auf mittelalterliche Quellen und Heiligenlegenden.
Exzellent, wie der im texanischen Austin beheimatete Chor "Conspirare" unter der Leitung von Craig Hella Johnson dieses vokale Klangepos in Szene setzt. Brilliant, fesselnd, kraftvoll, mit eindrucksvoller Expressivität. Eine spannende Komposition in einer herausragenden Interpretation.
Conspirare
Leitung: Craig Hella Johnson
Label: Harmonia Mundi