"Wien, Mitte des 19. Jahrhunderts – ein spanischer Kaufmann und begabter Gitarrist, ein vor der belgischen Revolution geflohener Adliger und passionierter Cellist, und ein aus Paris stammender Maler und Flötist schließen sich zusammen und musizieren im Salon erstmals Lieder von Schubert, gemeinsam mit einem Sänger aus München... Sie finden Gefallen an den Liedern und beschließen, in Kürze einen größeren Kreis zu einem geselligen Abend einzuladen".
Bildquelle: Myrios Classics
CD-Tipp 28.11.2015
Der CD-Tipp zum Nachhören!
Was Julian Prégardien hier beschreibt, ist die Grundkonstellation sogenannter Schubertiaden, wie sie schon zu Lebzeiten Franz Schuberts - mit dem Komponisten im Zentrum - stattfanden und Mitte des 19. Jahrhunderts auch in bürgerlichen Kreisen in Wien gepflegt wurden.
Julian Prégardien stellt eine solche Schubertiade-Situation nach, gemeinsam mit dem Flötisten Marc Hantai, dem Gitarristen Xavier Diaz-Latorre und Philippe Pierlot am Baryton, einem der Gambe ähnlichen Streichinstrument. Dass hier kein Klavier im Spiel ist, hat durchaus historische Gründe. Die Gitarre war im 19. Jahrhundert in Wien zu einem Modeinstrument geworden. Sie war leicht zu transportieren und bot ein überzeugend breites klangliches Ausdrucksspektrum. Außerdem trieb der Wiener Verleger Anton Diabelli die Verbreitung von Gitarrenversionen Schubert'scher Lieder voran. Er war nämlich selbst Gitarrist und brachte etwa Schuberts Liedsammlung Opus 4 in der Gitarrenfassung heraus, noch bevor er die Klavierfassung drucken ließ. Auch das Baryton war im Wien jener Zeit noch beliebt und bekannt vor allem durch Kompositionen von Joseph Haydn. Und die Traversflöte fügt sich sinnfällig und verbindend ein. Die Kombination dieser Instrumente und das gelungene Ensemblespiel der drei Solisten ermöglicht eine neue spannende Klangerfahrung voller romantischer Empfindung.
Julian Prégardien bildet auf seiner neuen CD einen ganzen Schubertiade-Abend ab. Auf dem Programm stehen in erster Linie Goethe-Vertonungen wie "Schäfers Klagelied", das "Heidenröslein" oder die "Gesänge des Harfners" Op. 12. Dazu gehören aber auch reine Texte. Bereits bei den Original-Schubertiaden gab es Lesungen, die dem musikalisch-geselligen Beisammensein eine weitere Dimension verliehen. Julian Prégardien streut zwischen die Schubert-Lieder Texte von Peter Härtling und Michael Stegemann, die sich mit Franz Schubert auseinandersetzen. Härtling in seinem Roman "Schubert" und Stegemann in seinem Musikbuch "Ich bin zu Ende mit meinen Träumen".
Im Zentrum des 75 Minuten langen Programms aber steht der Sänger Julian Prégardien, der mit seinem lyrischen Tenor für wahres Schubert-Glück sorgt. Bei ihm lässt sich jeder Ton auf die Goldwaage legen, und alles ist hochkarätig. Prégardien hat die ideale Stimme für dieses Repertoire. Ihm stehen alle sängerischen Mittel zur Verfügung, um das Ausdrucksspektrum der Lieder fein, unforciert und in klarer Diktion zu gestalten. Auch die Rolle des Sprechers hat Prégardien selbst übernommen. Er liest die Texte zwischen den musikalischen Abschnitten und macht aus seiner neuen CD ein kleines und feines Gesamtkunstwerk.
Franz Schubert:
Lieder und Instrumentalstücke
Rezitationen aus Texten von Peter Härtling, Franz Schubert, Michael Stegemann und Johann Mayrhofer
Julian Pregardien (Tenor)
Marc Hantai (Flöte)
Xavier Diaz-Latorre (Gitarre)
Philippe Pierlot (Baryton)
Label: Myrios Classics