Karol Szymanowski war der bedeutendste polnische Komponist zwischen Chopin und Lutoslawski, doch seine oft suggestive Musik ist im Konzert selten zu hören. Und das, obwohl sich Stars wie Simon Rattle, Pierre Boulez oder der Geiger Frank Peter Zimmermann mit Nachdruck für das Werk des großen Kosmopoliten einsetzten. Jetzt hat das junge Duo Brüggen-Planck beim Label Genuin Szymanowskis Kompositionen für Violine und Klavier vorgelegt, ergänzt um einige Bearbeitungen.
Bildquelle: Genuin
CD - Tipp 07.03.2017
Der CD-Tipp zum Anhören
Für Pierre Boulez bildete die Musik Karol Szymanowski eine Brücke zwischen der Klangsinnlichkeit Debussys und dem Mystizismus Skrjabins. Als Boulez 1942 den Geiger Jacques Thibaud mit Szymanowskis "Mythen" hörte, war er wie elektrisiert. Das lässt sich nachvollziehen beim Hören der neuen, ganz der Musik von Szymanowski gewidmeten CD des jungen Duos Brüggen-Plank.
Mit den 1915 komponierten "Mythen" schuf Szymanowski eine ebenso narkotisierende wie sensualistisch raffinierten Musik. Mit flirrenden Linien und Trillermelodien, immer neu eingefärbten Klangflächen, Flageoletts und anderem mehr entführen Marie Radauer-Plank und Henrike Brüggen den Hörer in ferne, traumhaft unwirkliche Welten voller geheimnisvoller Klänge. Ein überragendes Plädoyer für Szymanowskis fantastische Musik.
In der frühen Violinsonate op. 9 offenbarte sich der 22-jährige als glühender Verehrer von Wagner und Strauss. Schon hier zeigt sich sein ausgeprägter Wunsch nach einer grundlegenden Neuorientierung der polnischen Musik. Vom Mief der "Nationalfolklore" wollte Szymanowski sie reinigen, sie für die Einflüsse durch Strauss und Schreker, Skrjabin und Debussy oder den für ihn "genialen" Strawinsky öffnen. "Möge die polnische Musik national sein, aber nicht provinziell. Zerstören wir die gestrigen Dämme", schrieb er 1920. Im äußerst konservativen Musikmilieu seiner Heimat machte er sich damit nicht nur Freunde, und auch sein hoch poetischer wie expressiver Personalstil stieß keineswegs nur auf Begeisterung.
Auch Szymanowskis Hauptwerk, der nach dem ersten Weltkrieg komponierten großartigen Oper "König Roger", zollen Marie Radauer-Plank und Henrike Brüggen Tribut, mit dem ebenso erotisch wie exotisch schillernden Gesang der Roxane. Die Transkription schuf der polnische Geiger Paul Kochanski, für den Szymanowski fast seine gesamte Violinliteratur schrieb.
In den 30er Jahren wird die Volksmusik für Szymanowski dann doch zur wichtigen Inspirationsquelle. Die komplexen harmonischen Strukturen, die in "König Roger" oder der Dritten Symphonie heftig wuchernde Chromatik lösen sich auf. Stattdessen finden sich die offenbar wilden Rhythmen der Goralen-Kapellen stilisiert im Zweiten Violinkonzert oder dem großen Ballett "Harnasie". Auch hieraus schuf Kochanski eine Transkription, die Radauer-Plank und Brüggen hinreißend musizieren.
Szymanowski ist den beiden exzellenten jungen Musikerinnen ganz offensichtlich ein Anliegen. Ihre Liebe und Begeisterung spricht aus jedem Ton dieser wunderschönen, technisch makellosen, vor allem aber hochmusikalischen Interpretationen. Karol Szymanowski hat ein solch fulminantes Engagement mehr als verdient.
Sonate für Violine und Klavier op. 9
Mythen op. 30
Danse paysanne aus "Harnasie" op. 55
La berceuse d'Aitacho Enia op. 52
Chant de Roxane aus "König Roger"
Nocturne und Tarantella op. 28
Duo Brüggen-Plank:
Marie Radauer-Plank (Violine)
Henrike Brüggen (Klavier)
Label: Genuin