Das spanische Wort für die Orangenblüte ist Azahar. Und farbenprächtig, das sind die Klänge auf dieser CD allemal. Unter dem Titel "Azahar" bringt Simon-Pierre Bestion mit seinem Ensemble La Tempête vier Komponisten aus Mittelalter und Moderne zusammen.
Bildquelle: Alpha Classics
CD-Tipp 16.02.2017
Der CD-Tipp zum Anhören
Da ist zum einen die spanische Poesie der Cantigas von Alfonso dem Weisen. Auf diese berief sich Anfang der 1950er Jahre Maurice Ohana mit seinen gleichnamigen Kompositionen. Das andere Paar bilden Guillaume de Machauts berühmte Messe de Nostre Dame und die neoklassizistische Messe von Igor Strawinsky. Bestion hat mit Musikern und Sängern gearbeitet, die mit der Alten Musik vertraut sind. Die Idee besteht nun darin, einen kontinuierlicher Musikfluss zwischen den Jahrhunderten zu kreieren, alle Einzelsätze sind miteinander vermischt und kombiniert. Dafür rückt Bestion bei der Alten Musik vom Ideal einer historischen Authentizität ab. Er nutzt die Gemeinsamkeit der Bläserbesetzung bei Strawinsky und Ohana, um sie dann quasi rückwirkend auch auf die mittelalterliche Musik zu übertragen. So werden die Stimmen und Instrumente zu einem verbindenden Element.
Diese Arrangements funktionieren bestens bei den schlichten Monodien von Alfons dem Weisen. Machauts Messe muss jedoch leiden. Dass Bestion Instrumente hinzunimmt und die Stimmlagen unterschiedlich arrangiert geht noch in Ordnung. An manchen Stellen eine Trommel unter die kunstvoll ausbalancierte Polyphonie zu legen, ist allerdings schon sehr gewagt. Außerdem wurden das Credo und das Agnus Dei einfach weggelassen. Bloß als Ohrenöffner für die Moderne ist das mittelalterliche Meisterwerk aber eindeutig zu schade.
Der Fokus liegt folglich auf den Kompositionen aus dem 20. Jahrhundert. Technik sei Dank sind die Tracks ja auch so anwählbar, dass man jeweils ein Werk in sich geschlossen hören kann. Und spätestens dann entfaltet sich eine Strawinsky-Interpretation von großer Faszination. Weich und voll, durch die leichtere Singweise trotzdem klar und präzise in der Zeichnung der Strukturen, mit einer entspannt-lässigen Unaufgeregtheit, ohne dabei im Geringsten lasch zu sein. Das ist äußerst klangintensiv ohne klanggewaltig zu werden - und wirkt dabei so selbstverständlich, als könnte diese Musik überhaupt nicht anders gespielt werden. Auch wenn das Konzept nicht in jeder Nuance konsequent und überzeugend umgesetzt ist - auf seine Weise ermöglicht diese CD eine sehr eindrückliche Musikerfahrung.
Guillaume de Machaut:
Messe de Nostre Dame
Igor Strawinsky:
Messe
Alfonso X El Sabio:
Cantigas de Santa Maria
Maurice Ohana:
Cantigas
La Tempête
Leitung: Simon-Pierre Bestion
Label: Alpha Classics