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CD - Strauss und Lachenmann Ausklang und Alpensymphonie

Strauss' gewaltige "Alpensymphonie" und Lachenmanns "Ausklang": Zwei gegensätzliche ästhetische Welten prallen aufeinander in diesem Live-Mitschnitt von 2005 mit dem Ensemble Modern Orchestra - und erhellen sich gegenseitig.

"Wenn Sie über eine Wiese gehen und einer Weinbergschnecke aufs Haus treten, dann haben Sie praktisch eine Existenz ruiniert. Es gibt einen ganz kleinen pianissimo-Knacks, den Sie hören. Also ein Pianissimo ist ein Fortissimo der emotionalen Wirkung." Leise Klänge mit großer Wirkung - nach ihnen hat Helmut Lachenmann sein Leben lang geforscht. Immer wieder ist er aufgebrochen zu Expeditionen ins Reich schattenhafter Schab- und Kratzgeräusche, hat die Schönheiten zarter Fauch- und Klopfklänge erkundet. In seinem Orchesterwerk "Ausklang" lauscht Lachenmann nun dem Verklingen nach, dem Verlöschen der Musik, dem unaufhaltsamen Verschwinden der Töne.

Ein Pianissimo ist ein Fortissimo der emotionalen Wirkung.

"Ausklang", 1985 komponiert, ist eine Art Klavierkonzert. Das Bestechende daran sind nicht nur die Details, das auskomponierte Verklingen, die verblüffenden Klangkombinationen, sondern vor allem, wie es Lachenmann gelingt, aus diesen Bausteinen eine schlüssige Großarchitektur von fast einer Stunde Dauer zu formen, mit Reminiszenzen übrigens an die sinfonische Tradition: Es gibt einen langsamen Satz, eine Kadenz, zum Schluss sogar einen Dur-Dreiklang - und dazwischen immer wieder fast rauschhafte Höhepunkte. "Die große Musik, die hat provoziert im Sinne einer menschlichen Einladung, sich zu öffnen, sich zu verändern, seine Möglichkeiten entdecken und dabei eben hellhörig zu werden."

Rauschende Abschiedsfeier

Man hört auch die Alpensinfonie von Richard Strauss mit neuen Ohren, wenn man zuvor durch Lachenmanns fremdartige Kraterlandschaft gewandert ist. Ist nicht das Strauss’sche Alpengewitter auch eine Art Klangkomposition? Und wieviel genuin musikalische Struktur verbirgt sich unter der Programmmusik-Oberfläche? Die überraschende Kombination aus "Alpensinfonie" und "Ausklang" - Helmut Lachenmann selbst hat sie sich gewünscht. Für ihn ist die Musik von Strauss eine rauschende Abschiedsfeier vom Weltbild des 19. Jahrhunderts - im vollen Bewusstsein, dass dieses Weltbild in Wahrheit schon längst zerbrochen war.

Zwei gegensätzliche ästhetische Welten prallen aufeinander in diesem Live-Mitschnitt von 2005 - und erhellen sich gegenseitig. Auch wenn man leider nicht sehen kann, mit welchen Techniken das Ensemble Modern Orchestra unter Markus Stenz Lachenmanns magische Klänge hervorzaubert oder wie der Pianist Ueli Wiget mit Plastiktöpfchen über die Tasten gleitet - man hört trotzdem, wie lustvoll und zugleich präzise sich die Musiker diesem ungewöhnlichen Programm widmen. Und wünscht sich, dass so spannende Konzertkombinationen im heutigen Konzertleben eigentlich die Regel sein sollten - und nicht die Ausnahme.

Strauss und Lachenmann

Helmut Lachenmann: Ausklang
Richard Strauss: Eine Alpensinfonie op. 64
Ueli Wiget, Klavier
Ensemble Modern Orchestra
Leitung: Markus Stenz
Label: Ensemble Modern Medien

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