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CD - Leif Ove Andsnes spielt Jean Sibelius - Klavierwerke

Neben seinen Orchesterwerken führten sie lange Zeit ein Schattendasein: die mehr als 150 Klavierstücke von Jean Sibelius. Dass sich die Wiederentdeckung lohnt, möchte der norwegische Pianist Leif Ove Andsnes mit seinem neuen Album zeigen, auf dem er nach seinem preisgekrönten Zyklus mit Beethovens Klavierkonzerten nun eine sehr persönliche Auswahl von Solowerken für Klavier des finnischen Komponisten vorlegt.

Bildquelle: Sony Classical

Der CD-Tipp zum Anhören

Flirrende Figurationen umspielen in Sibelius' frühem, fünftem Impromptu aus Opus 5 mit fast schon impressionistischer Klanglichkeit eine lyrisch sehnsüchtige Melodie. Elemente der finnischen Volksmusik vermischen sich dabei delikat mit Einflüssen der französischen Musik. Leif Ove Andsnes versteht es meisterhaft die zuweilen schlichte Liedhaftigkeit sowie einfache Bauweise des Klaviersatzes dieser Impromptus mit einer poetischen Aura und meditativ schwebenden Noblesse aufzuladen.

Zwischen schroffer Herbheit und naturhaften Stimmungen

So bedeutsam das symphonische Schaffen von Jean Sibelius eingeschätzt wurde, so wenig Beachtung fand sein Klavierschaffen, das als marginal und nicht repräsentativ für den finnischen Meister galt. Mit Ausnahme des großen Glenn Gould fanden viele Pianisten es spröde, ohne besondere klangliche Reize und wenig raffiniert im Klaviersatz. Dabei entfaltet Sibelius in seinen zahlreichen Klavierminiaturen einen ganz eigenen Ausdruckskosmos aus zuweilen schon schroffer Herbheit auf der einen und zarten naturhaften Stimmungen auf der anderen Seite, in die sich noch Anklänge an die reiche Tradition finnischer Volksweisen mischen.

Fröhlich mit ernsten Zwischentönen

Die drei lyrischen Stücke op. 41, die mit ihrem Titel "Kylliki" auf eine Mädchengestalt im finnischen Nationalepos "Kalewala" hindeuten, genossen immerhin schon früh den Ruf pianistisch und musikalisch ergiebiger als die meisten anderen Sibelius-Solowerke für Klavier zu sein. Der tänzerische Rhythmus zu Beginn des "Comodo-Tranquillo" überschriebenen, dritten Stücks korrespondiert programmatisch mit dem unerlaubten Tanzvergnügen Kyllikkis. Die Tranquillo-Episode im Mittelteil steht mit ihren ernsteren, dunkleren Zwischentönen kontrastierend zu dieser übermütig fröhlichen Stimmung. Das kurze Klavierstück verzaubert durch einen eigentümlich zwischen tänzerisch-humoresken und liedhaft-balladesken Tonfällen changierenden Charakter.

Tiefgründig pantheistische Naturimpressionen

In seinem Sibelius- Album stellt Leif Ove Andsnes Werke aus sämtlichen Schaffensperioden des Komponisten zusammen, darunter auch die "Fünf Skizzen" op. 114, die Ende der 1920er Jahre entstanden, also kurz bevor der Finne das Komponieren einstellte. Dieses letzte Opus von Sibelius für Klavier besteht aus fünf tiefgründig pantheistischen Naturimpressionen. Es steht in engem Zusammenhang mit seinem sinfonischen Spätstil. Die erste der fünf Skizzen mit dem Titel "Landschaft" hat durch ihre einfache melodische Motivik sowie die begleitenden, harfenartigen Arpeggien einen eher zarten Grundcharakter. Der norwegische Pianist erweist sich auch hier als veritabler Sänger auf den Tasten, der mit feiner Sensibilität und einer mirakulösen Gestaltungsfantasie den in oftmals weit gestreckter Langsamkeit verlaufenden Entwicklungsbögen eine unterschwellige Glut verleiht. Fazit: Leif Ove Andsnes nimmt uns mit auf eine faszinierende Reise in die magischen Klavierlandschaften des Jean Sibelius, die Lust auf weitere Entdeckungen macht.

Leif Ove Andsnes spielt Sibelius

Jean Sibelius:
Lyrische Stücke op. 41 "Kylikki"
Sonatine op. 67 Nr. 1
Esquisses op. 114
Valse triste op. 44 Nr. 1
u. a.

Leif Ove Andsnes (Klavier)

Label: Sony Classical

Sendung: "Leporello" am 05. Oktober 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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