Nehmen wir an, ich hätte diese CD, wie das im Redaktionsalltag schon mal passiert, etwas zerstreut geöffnet, erstmal einfach in den Player geschoben und gestartet, ohne das Booklet zu lesen. Was wäre mein erster Gedanke gewesen? Ganz sicher nicht: Oh, da spielt ja ein Jugendorchester. Sondern: Hey, toller Klang, wer ist das? So homogen und intonationsrein, so flexibel und elegant spielt kaum ein anderes Kammerorchester. Da läuft ein Ensemble, das überwiegend aus Teenagern besteht, gestandenen Profis den Rang ab.
Bildquelle: RCA Red Seal
Der CD-Tipp zum Anhören
Doch die LGT Young Soloists sind eben beides: Jugendorchester und Vollprofis. Genauer gesagt: Sie verbinden von beidem ausschließlich die positiven Aspekte: Meisterhaftes Können ohne Routine, jugendlichen Charme ohne Unsicherheit. Prinzipiell herrscht ja kein Mangel an jungen Instrumentalisten, die bereits mit 14 oder 16 auf schwindelerregend hohem technischen Niveau spielen. Zusammen haben die Mitglieder, heißt es stolz im Booklet, mehr als 80 Preise in internationalen Wettbewerben gewonnen. Das allein aber kann es nicht sein. Denn dieses Ensemble spielt ja nicht nur beeindruckend präzise, sondern auch mitreißend und berührend, immer getragen von einem gemeinsamen Atem. Der ist nur möglich durch einen inspirierten und charismatischen Leiter. Der Geiger Alexander Gilman, 1982 in Bamberg geboren als Kind deutsch-russischer Eltern, hat die Young Soloists vor fünf Jahren gegründet. Mit Mitte Dreißig versprüht er selbst noch jugendliches Feuer – und hat offenbar großes pädagogisches Geschick.
Das zeigt sich auch bei der originellen und offenbar motivierenden Repertoireauswahl. Musik für Streichorchester aus Skandinavien hat Gilman unter dem Titel "Nordic Dream" zusammengestellt. Und ist dabei auf so reizvolle Stücke gestoßen wie die Streicherserenade des schwedischen Komponisten Dag Wirén. Witzige, intelligent gemachte und sehr angenehm zu hörende Musik des 20. Jahrhunderts, hellwach umgesetzt von den jungen Musikern.
Zur Grundidee der Young Soloists gehört, dass solistische Aufgaben aus den eigenen Reihen besetzt werden. Da spielt etwa der tschechische Cellist Vilem Vlcek, 19 Jahre alt, mit blühendem Ton eine Romanze von Johann Svendsen. Oder da sind die deutsche Geigerin Christa-Maria Stangorra und der österreichische Bratscher Benedict Mitterbauer, die gemeinsam ein Doppelkonzert für Violine, Viola und Streichorchester von Kurt Atterberg spielen. Hörenswerte spätromantische Musik, melancholisch und klangverliebt, verhalten leuchtend wie eine Juninacht in Schweden.
Immer ruhiger und sphärischer werden die Klänge gegen Ende der CD – und münden folgerichtig in "Valse triste" von Jean Sibelius, der Klang gewordenen nordischen Melancholie. Genau die richtige Musik für helle Nächte.
Werke für Streicher von
Dag Wiren, Jean Sibelius, Kurt Atterberg, Christian Sinding, Johan Svendsen
u.a.
LGT Young Soloists
Leitung: Alexander Gilman
Label: RCA Red Seal
Sendung: "Leporello" am 11.05.2018, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK