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CD - Lisa Streich "Pietà"

Die Pietà ist eines der zentralen christlichen Motive der Bildenden Kunst: Maria trauert um ihren Sohn Jesus, der gerade vom Kreuz abgenommen und ihr in den Schoß gelegt wurde. Verewigt in unzähligen Bildern, Fresken und Skulpturen. Musikalische Pendants gibt es kaum – dabei kann man doch auch so schön klangmalen, nachzuhören auf der aktuellen CD der schwedischen Komponistin Lisa Streich. Geboren wurde sie 1985, und in den letzten Jahren ist sie still und heimlich international in den Fokus gerückt, mit Aufträgen für renommierte Festivals und Ensembles und den entsprechenden Auszeichnungen.

Bildquelle: Wergo

Der CD-Tipp zum Anhören

Zunächst hört man in Streichs "Pietà" ein kaum wahrnehmbares Schaben, Zupfen, Pochen und Kratzen. Dann Klagetöne des Cellos, zwischen irdischer Erschöpfung und jenseitiger Trance im Flageolett. Aber was sind das noch für Geräusche? Wo kommen die her? Wer das Booklet liest, weiß: Dünne Papier-und Plastikstreifen traktieren das Cello, angetrieben durch winzige Motoren. So schafft Lisa Streich ganz offensiv Parallelen zum Bildtypus der Pietà: Der Instrumentenkorpus im Schoß, gewissermaßen gegeißelt. Das Schöne: Auch wenn man das nicht weiß, ist man sofort sinnlich gefangen, bekommt unmittelbar einen Gefühlseindruck von Einsamkeit, Kälte, Zerbrechlichkeit - Vor allem im krassen Kontrast zum hinausschreienden Schmerz

Wundersame Ungreifbarkeit

Ausbrüche wie diese sind selten in der Musik von Lisa Streich – sie bewegt sich vor allem am Rand des "Kaum-Hörbaren", arbeitet mit feinen Clustern im Vierteltonbereich, exakt notiert, gegeneinander verschoben und überlagert, sodass für den Hörer am Ende eine wundersame Ungreifbarkeit herauskommt – wie etwa in "Agnel" für 12-stimmigen Chor, Objekte, Knabenstimme und Elektronik

Immer im Dienst der Aussage

Mittel und Technik sind nicht neu. Nie aber sind sie Selbstzweck einer verqueren, atonalen und wie auch immer andersartigen Zeitgenössischen Musik. Sondern immer im Dienst der Aussage, der Geschichte dahinter. Und so wirkt es auch ganz natürlich, dass immer mal wieder auch Dur- und Mollflächen aufschimmern. Lisa Streichs Musik fordert vor allem auf zum genauen Hinhören, und durch dieses genaue Hinhören entsteht auch ein ungewohnt intensives Nachhören.

Mitten im Energiefluss

Die Interpreten dieser Portrait-CD sind allesamt großartig, seien es Solisten aus dem ensemble recherche, das Vokalensemble des Kölner Doms oder das Orchester der Lucerne Festival Academy: Alle bringen die nötige Sensibilität für diese Musik mit, ohne an ihr zu zerbrechen. Immer hat das man das Gefühl, mitten im Energiefluss zu schweben. Dafür nimmt man sich doch gerne eine gute Stunde Zeit!

Lisa Streich - Pietà

"Pietà" für motorisiertes Cello & Ensemble
"Stabat" für 32 Stimmen in vier Chören
"Segel" für Orchester
"Agnel" für 12-stimmigen Chor, Objekte, Knabenstimme & Elektronik
"Asche" für Klarinette & Cello

Orchester der Lucerne Festival Academy; Leitung: Gregor Mayrhofer
Niklas Seidl (Motorisiertes Cello), hand werk
Vokalensemble Kölner Dom; Leitung: Eberhard Metternich
ensemble recherche
UT insieme vocale-consonante; Leitung: Lorenzo Donati

Label: Wergo

Sendung: "Leporello" am 12. April 2018, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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