Diana Damrau feilt schon seit mehreren Jahren an der Partie der "Lucia di Lammermoor". Und mit Joseph Calleja sowie Nicolas Testé stehen der Koloratursopranistin der Superlative bei dieser Neueinspielung der Donizetti-Oper zwei große Stimmen zur Seite.
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Was neue Operngesamtaufnahmen betrifft, wird der klassische Tonträgermarkt seit langer Zeit von Veröffentlichungen beherrscht, die uns mit selten oder nie zu hörenden Bühnenwerken konfrontieren: Labelchefs, Dirigenten und Sänger bitten scharenweise um die Beachtung vergessener Opern! Demgegenüber viel seltener wagt man sich heute noch an Repertoirestücke oder gar Publikumslieblinge, die schon in Dutzenden von Interpretationen vorliegen. Aktuelles Beispiel für einen solchen Ausnahmefall ist Gaetano Donizettis "Lucia di Lammermoor", eine Neueinspielung der von Walter Scott inspirierten Belcanto-Oper um eine tragische Liebesgeschichte inklusive Wahnsinnsszene.
Was tut ein typischer Opernfan, während er auf die Vorstellung wartet, für die er sich monatelang im Voraus eine Karte ergattert hat? Im Fall der "Lucia di Lammermoor" braucht er nicht lang zu überlegen: Die Vorfreude auf die nächste Neuproduktion im Münchner Nationaltheater ab Ende Januar 2015 lässt sich mit einer CD anheizen, die als Live-Mitschnitt im Juli 2013 in der Münchner Philharmonie entstand. Damals hieß Lucia, wie sie demnächst wieder heißen wird: Diana Damrau! Mit geradezu überschäumendem Gestaltungswillen, was das Drama hinter den schwarzen Punkten auf den Notenzeilen anbelangt: So beeindruckt die riesengroß gewordene Stimme einer Koloratursopranistin der Superlative.
Diana Damrau feilt an der Partie schon seit mehreren Jahren, jongliert mit Spitzen- und Schwelltönen artistisch und lustvoll. In Joseph Calleja hat Diana Damrau einen Partner, der sein Pavarotti-Timbre genießt und vor allem in der Mittellage farbig entfaltet. Vielleicht fühlte sich die Sopranistin aber mehr noch als vom Tenor diesmal vom Bass beflügelt: dem Mann, der ihr im wahren Leben liebend zur Seite steht! Nicolas Testé gibt der kleinen Partie des Raimondo den balsamischen Anstrich eines sonor-seriösen Basso cantante.
Markant maskulin tritt hier auch noch ein anderer Franzose auf, sozusagen eine Etage über dem Bassisten Nicolas Testé der Bariton Ludovic Tézier. Der intrigante Bruder der Heldin, Enrico, tritt mit strahlender Höhe resolut und offensiv auf. Ein Veteran steht am Dirigentenpult: Jesús López-Cobos koordiniert die Kräfte unauffällig. Sein größtes Verdienst ist es, in der berühmten Wahnsinnsszene die originale, fragil und irreal anmutende Glasharmonika einzubeziehen. Im Ganzen wird jedoch Kirill Petrenko an der Bayerischen Staatsoper, wenn es für ihn persönlich um sein Belcanto-Debüt geht, sicher noch mehr Partitur-Details zur Geltung bringen als sein spanischer Kollege.
Diana Damrau (Lucia), Joseph Calleja (Edgardo), Ludovic Tézier (Enrico), Nicolas Testé (Raimondo), David Lee (Arturo), Marie McLaughlin (Alisa), Andrew Lepri Meyer (Normanno), Sascha Reckert (Glasharmonika)
Münchener Opernchor
Münchener Opernorchester
Leitung: Jesús López-Cobos
Label: Erato