Als Mahler-Interpret ist Christian Thielemann bislang nicht wirklich hervorgetreten. Das ändert sich jetzt: Auf dem hauseigenen Label der Münchner Philharmoniker sind Konzertmitschnitte des Orchesters mit seinem damaligen Chefdirigenten aus dem Jahr 2011 erschienen. Auf dem Programm: das Adagio aus Mahlers Symphonie Nr. 10 und die "Wunderhorn"-Lieder mit dem Bariton Michael Volle.
Bildquelle: MPhil
Der CD-Tipp zum Anhören
Die Zehnte Symphonie war Gustav Mahlers letzte Abschiedssymphonie. Zwei waren ihr bereits vorausgegangen: die Neunte und das "Lied von der Erde" – in denen der Komponist ein musikalisches Lebewohl formuliert hat. Noch vor Vollendung der Zehnten, am 18. Mai 1911, starb Gustav Mahler in Wien. Hat er seinen Tod vorausgeahnt? Manches deutet darauf hin, auch wenn die Grippe-Infektion, die er sich in New York zugezogen hatte, keineswegs tödlich hätte verlaufen müssen. Am Ende ist die Zehnte Fragment geblieben. Der erste Satz, Adagio, sowie der dritte sind von Ernst Krenek vervollständigt worden. Das Adagio dieser Symphonie, das meistens allein aufgeführt wird, ist ein trauervoller Gesang, der in den Streichern seinen Anfang nimmt, von den Bläsern aufgegriffen wird und sich am Ende geradezu ins Nichts aufzulösen scheint.
Die Münchner Philharmoniker spielten unter ihrem vormaligen Chefdirigenten Christian Thielemann diesen letzten Symphoniesatz Mahlers im Mai 2011 mit betörender Klangkultur und Sensibilität. Die bitteren Ausbrüche, die grotesken Klanggesten des Trotzes und Protests, die dieses Werk ebenfalls beinhaltet, bleiben bei Thielemann und den Münchnern dagegen sehr zurückgenommen, ja harmlos. Das Abgründige ist Thielemanns Sache eher nicht. Daher klingt manches in dieser Aufnahme mehr nach Bruckner als nach Mahler. Das ist auch bei den acht "Wunderhorn"-Liedern mitunter der Fall. Michael Volles dunkeltimbrierter Bariton ist zwar enorm beweglich und klangsatt, manchmal aber eben auch gewissermaßen zu schön, um die Doppelbödigkeit der Musik auszuloten.
Als Bruckner-Dirigent hat sich Christian Thielemann in München durchaus verdient gemacht, Mahler stand so gut wie nie auf dem Programm der Münchner Philharmoniker - was viele bedauerten. Womöglich geht Thielemann und auch Volle die letzte Identifikation mit der Ausdruckswelt Mahlers dann doch ab. Zumindest erweckt die CD diesen Eindruck. Klanglich indes ist diese Mahler-Einspielung von außerordentlicher Qualität und unbedingt hörenswert.
Gustav Mahler:
Lieder aus "Des Knaben Wunderhorn"
Symphonie Nr. 10 (Adagio)
Michael Volle (Bariton)
Münchner Philharmoniker
Leitung: Christian Thielemann
Label: MPhil
Sendung: "Leporello" am 28. März 2018 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK