BR-KLASSIK

Inhalt

Album der Woche – Herbert Blomstedt dirigiert Gustav Mahler: Symphonie Nr. 9

Am 11. Juli 2019 konnte der Dirigent Herbert Blomstedt seinen 92. Geburtstag feiern. Sein Kalender ist nach wie vor mit Konzertterminen gefüllt. Als regelmäßiger und gerne gesehener Gast ist er im Dezember auch wieder am Pult des BRSO in München angekündigt. Mit den Bamberger Symphonikern hat Blomstedt im Sommer 2018 Gustav Mahlers 9. Symphonie musiziert. Dieses Ereignis in der Konzerthalle Bamberg wurde aufgezeichnet und ist jetzt auf CD erschienen.

Bildquelle: Accentus

Das Album der Woche zum Anhören

Es gibt Menschen, die sind nicht nur mit stabiler Gesundheit gesegnet, sondern mit zeitlos charismatischer Ausstrahlung. Zu solchen Persönlichkeiten zählt der Dirigent Herbert Blomstedt. Nach wie vor steht der 92-Jährige am Pult internationaler Spitzenorchester. Seit 35 Jahren ist er den Bamberger Symphonikern verbunden, dirigierte mit ihnen fast 200 Konzerte, leitete Auslandstourneen und ist seit 2006 Ehrendirigent des Orchesters. Kaum zu glauben, dass Blomstedt und die Bamberger erst letzten Sommer erstmals gemeinsam eine CD aufgenommen haben. Auf dem Programm: Gustav Mahlers 9. Symphonie.

Emotionale Achterbahn

Es sollte die letzte Partitur werden, die Mahler 1909 vollendete. Die Aufführung erlebte er nicht mehr. Nach der monumentalen 8. Symphonie mit ihrem Riesenaufgebot an Chören und Solisten verzichtete er in der Neunten auf jede Art von Text. Diese Symphonie äußert sich rein instrumental, singt gleichsam ohne Worte und ohne Beteiligung menschlicher Stimmen. Einer emotionalen Achterbahn entspricht dieses Stück. Am Beginn und Schluss stehen langsame Sätze dazwischen ein Ländler und ein burleskes Rondo, das sich zwar Rondo nennt, aber kurzatmig wird, noch ehe es richtig in Schwung kommt.

Kurz und bündig

Dieses Album wird lieben, wer ...
… Mahler liebt oder entdecken möchte.

Dieses Album hat gefehlt, weil ...
... man Blomstedt bisher kaum als tollen Mahler-Dirigenten wahrnehmen konnte.

Dieses Album führt bei Überdosis zu ...
... Mahler-Sucht.

Ohne aufgesetztes Pathos

Es kommt zu Übersteigerungen, zum Durcheinander. Doch selbst das scheinbar Derbste ist immer in eine kunstvolle formale Entwicklung eingebettet. Blomstedt und die Bamberger Symphoniker machen die Vielstimmigkeit in diesem Werk wunderbar transparent, mit tendenziell zügigen, besser: organisch flüssigen Tempi. Herbert Blomstedt leitet die Musiker ohne jedes aufgesetzte Pathos oder inszeniertes Innehalten durch das Stück. Er arbeitet die zerrissenen Ausdrucksgesten plastisch heraus ohne den Blick auf das große Ganze zu verlieren. Auch das Finale, das einem auskomponierten Verstummen gleicht, entfaltet sich so als zwingend logische Konsequenz.

Komplexe Klanglandschaften

Vielen Musikliebhabern ist Herbert Blomstedt bisher primär als bedeutender Bruckner-, weniger als Mahler Dirigent bekannt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es bislang auch nur sehr wenige Mahler-Einspielungen mit ihm gibt: Als damaliger Chef des San Francisco Symphony Orchestra hat Blomstedt 1992 Mahlers 2. Symphonie aufgenommen, und aus Japan kommt ein Mitschnitt der Symphonien 4 und 5 mit dem NHK Symphony Orchestra. Das mag man angesichts der nun vorliegenden Konzertaufzeichnung mit den Bambergern und Mahlers Neunten nur bedauern. Denn so packend wird man als Hörer selten im besten Sinne an die Hand genommen und durch komplexe Klanglandschaften geführt.

Herbert Blomstedt dirigiert Mahler

Gustav Mahler:
Symphonie Nr. 9 D-Dur

Bamberger Symphoniker
Leitung: Herbert Blomstedt

Label: Accentus

Sendung: "Piazza" am 13. Juli 2019, 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (0)

Kommentieren ist nicht mehr möglich.
Zu diesem Inhalt gibt es noch keine Kommentare.

    AV-Player