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CD - Martha Argerich Early Recordings

Gute Taten zahlen sich aus – auch wenn es manchmal sehr lange dauert. Im Januar 1960 war die 18-jährige argentinische Pianistin Martha Argerich für die Öffentlichkeit ein unbeschriebenes Blatt. Martha wer?

Bildquelle: Deutsche Grammophon

CD-Tipp 13.05.2016

Der CD-Tipp zum Nachhören!

Dass dieses Fräulein Argerich einst als berühmteste Pianistin ihrer Zeit gefeiert werden würde, war damals nicht absehbar. Aber den weitsichtigen Redakteuren des WDR und des NDR, die diese junge Frau mit der charakteristischen schwarzen Haarmähne zu Radio-Produktionen ins Studio einluden, muss dann doch ziemlich schnell klar geworden sein, dass sie hier auf eine nicht alltägliche Begabung gestoßen waren.

Entfesselte Motorik

Auch wenn es sich um Mono-Aufnahmen handelt, teilt sich auch heute noch ganz unmittelbar die vibrierende Energie mit, die die junge Argerich auf der Bühne und im Studio ausgestrahlt haben muss. Die irrwitzig schwere Toccata von Prokofjew spielt sie mit brisantem Drive. Umso beeindruckender, dass ihre Interpretation trotz aller entfesselten Motorik bis ins Detail durchgestaltet ist. Aber die Prokofjew-Toccata hat Martha Argerich wenige Monate nach der Radio-Produktion für den NDR auch für ihre erste Platte eingespielt, dann sogar bereits in Stereo. Das Stück liegt also seit langem mit ihr vor. Argerich-Fans werden trotzdem ihren Spaß daran haben, die beiden kurz hintereinander entstandenen Versionen zu vergleichen (wobei die etwas spätere Schallplatten-Produktion nicht nur klanglich besser abschneidet). Auch "Gaspard de la nuit" und die "Sonatine" von Maurice Ravel hat Argerich später noch einmal in exzellenten, kaum übertroffenen Aufnahmen eingespielt, die ebenfalls aufnahmetechnisch weit überlegen sind. Interessant zu beobachten, dass die junge Argerich meist etwas schnellere Tempi wählt als in ihren reiferen Aufnahmen, der Zugriff wirkt oft spontaner.

Unsentimentale Klarheit

Der eigentliche Reiz der jetzt veröffentlichten Doppel-CD liegt in drei Werken, von denen es bislang keine Argerich-Einspielungen gab. Wenn man ihre Interpretation der späten D-Dur-Sonate von Mozart hört, kann man nur bedauern, dass sie sich diesem Komponisten nicht häufiger gewidmet hat. Auf Platte hat Argerich ausschließlich Mozart-Klavierkonzerte eingespielt, die jetzt veröffentlichte Mono-Aufnahme aus den NDR-Studios von 1960 ist offenbar ihre bislang einzige Einspielung einer Klaviersonate von Mozart. Die unsentimentale Klarheit von Argerichs Spiel ist deutlich beeinflusst von ihrem Lehrer Friedrich Gulda. Doch die junge Argerich geht über Guldas Sachlichkeit hinaus und verbindet ihren erfrischend direkten Zugang mit natürlicher Emotionalität und ansteckender Spielfreude.

Sprühend vor Ideen

Ebenso beglückend sind die beiden anderen Entdeckungen dieser Ausgrabung: Die D-Dur-Sonate op. 10 Nr. 3 von Beethoven und die Dritte Sonate von Prokofjew gab es bislang mit Argerich ebenfalls nicht auf Platte. Prokofjews Dritte Sonate ist mit ihren gerade mal 7 Minuten Spieldauer eines seiner kürzesten und vollkommensten Werke: sprühend vor Ideen, auf den Punkt, wild und zärtlich. Die 18-jährige Argerich spielt dieses originelle Meisterwerk mit fast beängstigender Vollkommenheit. Ein Glück, dass sich die Redakteure von NDR und WDR 1960 auf die blutjunge Pianistin einließen. Heute können wir staunend nachvollziehen, wie diese große Künstlerin ihre ersten Schritte im Studio machte. Gute Taten zahlen sich aus.

Martha Argerich - Early Recordings

Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven, Sergej Prokofjew und Maurice Ravel

Martha Argerich (Klavier)
Label: Deutsche Grammophon

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