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CD - Milica Djordjevic Kammermusik

Stille gehört zur Musik dazu, wie jeder weiß. Doch Stille ist nicht gleich Stille. Sie kann verschiedene Schattierungen annehmen. Sie kann sich als Fast-Stille verkleiden, sie kann unerwartet kommen oder geradezu herbei gesehnt werden. Als eine Art Studie der Stille könnte man die neue CD der in Berlin lebenden Komponistin Milica Djordjevic bezeichnen. Dabei ist die voller Töne. Unter denen etwa das Arditti Quartett vibriert, in einem Streichquartett mit dem Titel "The Death of the Star-Knower".

CD-Cover Milica Djordjevic: Kammermusik | Bildquelle: Wergo

Bildquelle: Wergo

Der CD-Tipp zum Anhören

Ein anderes Stück namens "Fail" thematisiert das Scheitern. Frei nach Samuel Becketts "Wieder versuchen / wieder scheitern / besser scheitern" reiben sich hier Cello und Elektronik aneinander, versuchen immer wieder neue Anläufe, die wieder missraten. Ob der nächste Versuch gelingt? Das verrät die CD. Auf der eine solche Vielfalt aufscheint, wie es sie nicht oft gibt in der zeitgenössischen Musik. Das mag paradox klingen, wo doch heute alles möglich ist, alles gemacht, gespielt und programmiert wird. Aber bei der 1984 geborenen Milica Djordjevic geht es eben nicht darum, möglichst effektvoll noch dieses oder jenes unterzubringen. Sie probiert viel aus, das schon, sie baut wuchtige Klangtürme, um sie mal explosionsartig, mal behutsam angebahnt wieder einstürzen zu lassen. Oder sie schichtet molekülartig Töne aufeinander, die sich aufbäumen zu einer Welle, die tosend bricht, bevor die nächste Woge anrollt.

Zur Komponistin

Sie ist lange recht sprunghaft gewesen, bevor sie sich aufs Komponieren festgelegt hat - jedenfalls als Hauptberuf. Denn vielseitig unterwegs ist die in Serbien geborene Komponistin Milica Djordjevic noch immer. Zwar arbeitet sie nicht mehr als Theaterregisseurin, und ihr Steckenpferd, die Physik hat sie auch an den Nagel gehängt, aber noch immer investiert sie viel Zeit in ganz verschiedene Dinge: Bevor sie anfängt zu komponieren, verbringt sie ein paar Monate nur mit Lesen, Malen, besucht Ausstellungen. Dann skizziert sie ihr neues Stück. Das dauert auch noch mal zwei Monate, in denen sie schreibt wie wild. Am Ende wirft sie alles weg und schreibt dann die endgültige Version des jeweiligen Stückes nieder, in destillierter Form sozusagen. Das Wieder-von-vorn-Anfange, das Scheitern, wenn man so will, das thematisiert Milica Djordjevic auch in ihrer Musik. Die zum Spannendsten gehört, was die zeitgenössische Szene derzeit zu bieten hat.

Reduziertes Auf- und Abgleiten

Milica Djordjevic ist eine Forscherin. Doch sie untersucht das Instrument an sich und hebt dabei fast beiläufig immer wieder klangliche Kostbarkeiten. Lange hat sich die Komponistin vor allem mit Streichinstrumenten beschäftigt. Auf ihrer neuen CD sind aber auch ein Stück für Akkordeon solo. Dann ein Stück für Kontrabass. Eins für Ensemble und Mezzosopran. Und die 2014 entstandene Komposition "Phosphorescence", in der Klänge von Horn, Trompete und Posaune leuchten. Es ist ein reduziertes Auf- und Abgleiten, und Milica Djordjevic bleibt immer auf das jeweilige Timbre der Instrumente fokussiert.

Musik, die Menschen bewegt

Diese Musik fließt, und wer sich ihr hingibt, auf den hat sie eine unmittelbare, fast körperliche Wirkung. Milica Djordjevics Kompositionen stecken voller Details, und so stellen sich auch nach dem zehnten Hören noch zuverlässig die Härchen auf. Musik sei dazu da, um gehört zu werden, sagt sie und "nichts, was man nur intellektuell analysieren sollte". Milica Djordjevic möchte Musik schreiben, die Menschen mitreißt. Das gelingt ihr.

Milica Djordjevic: Kammermusik

"The Death of the Star-Knower - petrified echoes of an epitaph in a kicked crystal of time I&II I" für Streichquartett
"Phosphorescence" für Horn, Trompete und Bassposaune
"… würde man denken: Sterne" für Akkordeon solo
"How to evade?" für Oboe und Violine
"Do you know how to bark?" non-communication for solo contrabass ver. 2.1.1
"Manje te u majke groze" für Sopran, Bassklarinette, Akkordeon, Violine, Viola und Violoncello
"Fail" für Violoncello und Live-Elektronik

Verschiedene Interpreten

Label: Wergo

Sendung: "Leporello" am 30. Mai 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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