BR-KLASSIK

Im Pariser Théatre des Champs-Élysées sind Spielzeit für Spielzeit konzertante Opernaufführungen auf höchstem Niveau zu erleben. Der junge Dirigent Jérémie Rhorer hat dort mit dem Originalklangensemble Le Cercle de l’Harmonie einen Zyklus von Mozart-Opern präsentiert. Eine davon ist jetzt auf CD erschienen: das Singspiel "Die Entführung aus dem Serail".

Es ist das Tragikomische, das Ineinandergreifen von komischen und tragischen Momenten und ihr behutsamer Wechsel, das den französischen Taktstockvirtuosen Jérémie Rhorer an Mozarts "Entführung aus dem Serail" hörbar tief beeindruckt. Die Gattung des Singspiels ist für ihn kein Genre der gefällig-harmlosen Unterhaltungsmusik, kein Hinweis auf Oberflächlichkeit pur. Und es stimmt ja auch: Wie in seinen besten Klavierkonzerten will Mozart in der "Entführung" ein schillerndes Chiaroscuro herstellen, Licht und Schatten der menschlichen Existenz in Klänge verwandeln.

Unvoreingenommen gestaltete Gesangspartien

Man könnte meinen, die Leute vom Besetzungsbüro hätten darauf geachtet, dass bei den Liebespaaren Konstanze-Belmonte, Blonde-Pedrillo der Stimmfarbe nach keine Sängerin, kein Sänger älter wirkt als der 25jährige Mozart zum Zeitpunkt der Komposition dieser Oper. Alle, wie sie da sind - ob Sopran Jane Archibald oder Tenor Norman Reinhardt, ob Sopran Rachele Gilmore oder Tenor David Portillo - gestalten ihre Gesangspartien sozusagen unvoreingenommen, mit der Aura großer Frische. Und wenn Osmin und Bassa Selim, Bassist Mischa Schelomianski und Schauspieler Christoph Quest, Männer fortgeschrittenen Alters suggerieren, dann passt das selbstverständlich zum Libretto und seiner Figurenkonstellation.

Fabelhafte Plastizität

Den Differenzierungswillen der Sänger wird man sich mit akribischer Probenarbeit erklären dürfen. Auch die Instrumentalisten des Originalklangensembles Le Cercle de l’Harmonie setzen die offenkundigen Absichten Jérémie Rhorers spürbar gern um. Das Ergebnis ist von fabelhafter Plastizität, wohl indirekt auch durch die prominenten Lehrer des jungen Dirigenten inspiriert: William Christie und Marc Minkowski! Jedenfalls bewegt sich Mozarts "Entführung" hier meilenweit abseits der unsympathischen Extravaganzen, die der letzten Aufnahme des Singspiels zuteilwurden: bei René Jacobs! Es bleibt eben dabei: Oft ist Weniger mehr…