Das armenische Nationalinstrument Duduk steht mit seiner orientalischen Idiomatik in eigenartigem Kontrast zum westlichen Klavier - genau wie die Laute Oud und die Zylindertrommel Dhol. Aber das ist hier Programm: Es geht auf diesem Album nicht um nachgestellte Folklore, sondern um den kreativen Umgang eines heutigen Amerikaners mit seiner armenischen Vergangenheit, um kongeniale Virtuosität von Musikern aus verschiedenen Bereichen, um den Schnittpunkt von Klassik, Jazz, Folk und Postminimalismus, um komplexe Strukturen, die doch nie kompliziert wirken.
Bildquelle: Available Forms Music
CD-Tipp 06.12.2016
Der CD-Tipp zum Anhören!
Hier predigt er bestimmt nicht tauben Ohren, der mittelalterliche Geistliche Mkrditch Naghash, nach dem Komponist John Hodian sein Ensemble benannt hat. Erstaunlich, dass er nicht auf dem Scheiterhaufen landete, dieser Naghash, so gnadenlos legte er den Finger auf die Eitelkeiten der Welt und nahm dabei selbst Fürsten und Bischöfe nicht aus. Dabei wirken viele seiner Verse verblüffend aktuell, ob er das Leid von Exilanten schildert oder vor materieller Übersättigung warnt. Nachzulesen sind die Übersetzungen im bibliophil gestalteten Booklet, vertont wurde natürlich das originale Alt-Armenisch, das mit seinen harschen Konsonanten den musikalischen Duktus wesentlich beeinflusst hat.
"Der Klang des alten Armenien – wiedererfunden für das 21. Jahrhundert", so beschrieb der armenische Komponist Tigrán Mansurián die Musik seines jüngeren Kollegen John Hodian. In Philadelphia geboren und aufgewachsen, entstammt Hodian einer armenischen Familie und machte sich vor rund 15 Jahren auf die Suche nach den eigenen Wurzeln. Das Schlüsselerlebnis bei dieser Reise ins Land seiner Väter war die Begegnung mit einem Vokalquintett, das alte Kirchen- und Volksweisen sang - die klangliche Essenz eines Landes, das sich aus Zerstörung und Verfolgung nur seine Sprache, seine Kirche und seine Musik bewahren konnte. Diesen archaischen Klang wollte Hodian in die Gegenwart holen, zumal er in dem armenischen Dichter Naghásh eine geistige Brücke zwischen Gestern und Heute entdeckte. Seine Verse inspirierten ihn bereits 2010 zu einer CD mit dem Titel "Songs of Exile". Hier besprochen ist das zweite Album, "Credos and Convictions". Mittlerweile gibt es ein eigenes Naghásh-Ensemble, das mit drei Sängerinnen, drei Musikern mit traditionellen armenischen Instrumenten und dem Komponisten am Klavier durch die Welt tourt.
Die drei Sängerinnen des Naghash-Ensembles sind sowohl klassisch ausgebildet, wie auch in der traditionellen Musik ihres Landes verwurzelt. Genau wie die drei Instrumentalisten sind sie mit den asymmetrischen Rhythmen und melodischen Modi Armeniens bestens vertraut, aber auch jederzeit bereit, dem Komponisten am Flügel ins Experimentelle zu folgen, sei es durch gesungene Patterns, jazzige Improvisationen oder einen lachenden Kontrapunkt.
Keine globalisierte Weltmusik, sondern Musik, die sich aus neuen und alten Welten speist, aus allem, was John Hodian bei seinem Weg von Philadelphia über New York nach Jerewan begleitet hat und für ihn so etwas wie musikalische Heimat bedeutet. Und die ist von Bach, Steve Reich oder Joni Mitchell genauso geprägt wie durch die armenische Musik, die er im Haus seiner Eltern hörte. Kein Wunder, dass seine Naghash-Alben nun in keine Schublade passen wollen – außer vielleicht in jene geheime, in der die diesjährigen Weihnachtsgeschenke lagern …
Meditation on Greed and Poverty
If in This World by Sin You Wander
On the Vanity of This World
Futile Jugdement
Passing is the Glory of This World
Ode to Weddings and Human Happiness
Komponiert von John Hodian
The Naghash Ensembe
Label: Available Forms Music (Eigenlabel des Ensembles)
Die CD kann über das Internet bezogen werden.