BR-KLASSIK

Die Musikerinnen haben zu einer ganz eigenen Sprache gefunden, einer Mischung aus persischer Überlieferung, zeitgenössischer Musik und Improvisation. "Narrante" wurde im Juli 2015 im Auditorio Stelio Molo RSI in Lugano aufgenommen und von Manfred Eicher und Ramin Sadighi produziert. Es ist die erste ECM-Produktion, die gleichzeitig in Europa und in einer iranischen Edition (bei Sadighis Label "Hermes") erschien.

Zwei Musikerinnen aus dem Iran, die im Ausland studierten haben und doch immer wieder unter dem Bann standen der so reichen und vielfältigen Musiktradition ihrer Heimat. Beide entwickelten dabei unabhängig voneinander ihre eigene musikalische Sprache, die sie nun als das "Naqsh Duo" in allen denkbaren Varianten eines gemeinsamen Dialogs intensivieren. Entstanden ist eine ureigene Form der Synthese aus Improvisation, persischer Überlieferung und zeitgenössischer Musik, berührend, zart, ausgelassen, und dabei immer lyrisch und ausdrucksstark.

Zeitgenössisches Gitarrenspiel und subtile Klarinettenseufzer

Klassisches zeitgenössisches Gitarrenspiel, dazu subtile Seufzer der Klarinette mit einer orientalischen Melodie. Golfam Khayam, akustische Gitarre, und Mona Matbou Riahi, Klarinette. Beide wuchsen in Teheran auf und fanden doch erstmals für dieses Album zusammen. Dazwischen liegen bei Golfam Khayam Studien der klassischen Gitarre und der zeitgenössischen klassischen Komposition, unter anderem in Genf. Sie beschäftigt sich mit der traditionellen Musik Persiens und mit Jazz und träumt davon, so wie John Coltrane und Keith Jarrett die Trennung von Interpret und Komponist zu überwinden. Und Mona Matbou Riahi? Sie rebellierte mit 17 Jahren gegen die Dauerpräsenz traditioneller persischer Musik in ihrem Elternhaus und zog nach Wien, hörte nur klassische Musik und Rock. Und Sängerinnen wie Nina Simone oder Billie Holliday, daneben auch Charlie Parker. Das Improvisieren wurde immer wichtiger für sie, besonders „die Stille zwischen den Einfällen“, wie sie einmal sagte. Auf dem Album "Narrante" ist sie zu erleben.

Geheimnisvolle Dialoge

Zeitlose Melodieschönheit verbindet sich bei beiden Musikerinnen mit einem experimentierfreudigen Ausloten neuer Spieltechniken der Instrumente. Ebenso werden Ornamentik, Mikrotöne, Tonarten, Liegetöne und Rhythmen der persischen Musik in einem kreativen Prozess verinnerlicht und weiterentwickelt. In geheimnisvollen Dialogen gelingen den beiden mit ausgefallenen Verzierungen und neuartigen Spielweisen untypische Klangeffekte und Farben, die jenseits ihrer Instrumente zu liegen scheinen, jenseits der vertrauten Klangwelten. Jedes Instrument spiegelt sich dabei in dem anderen, trifft dort auf eine verwandte Schwingung, erweitert dessen Resonanz und Perspektive.

Zeitlose Reise durch die Genres und Stimmungen

"Wenn wir spielen, sind wir wie Zwillinge", hat es Mona Matbou Riahi erklärt. Und auch wenn jeder seine eigene Komposition einbringt, wird diese immer auch zur Arbeit der anderen und umgekehrt. „Es ist unser Werk und es fühlt sich an, als würden wir zusammen Gedichte schreiben“, bringt es Mona auf den Punkt. Mit "Narrante" begeben sich die jungen Iranerinnen auf eine zeitlose Reise durch die Genres und Stimmungen von atemberaubender Schönheit. Sie lassen Anklänge an den Jazz aufblitzen, an zeitgenössische Kammermusik, improvisieren munter oder huldigen ihren persischen Wurzeln. In neun Stücken mit italienischen Titeln wie "Arioso", "Sospiro" oder eben "Narrante", werden wir Zeuge einer tiefen Begegnung von östlichen und westlichen Traditionen. Diese entrückte, verzaubernde Musik des Naqsh Duo bleibt noch lange im Gedächtnis haften