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CD - Natalie Dessay singt Lieder von Franz Schubert

Zerbrechlich, kristallin, von bildgewaltiger Ausdruckskraft - so präsentiert sich Natalie Dessay in ihrem neuesten Liedalbum, das Franz Schubert gewidmet ist. Franz Schubert? Ja, eine Premiere! Eine echte Überraschung! Und was auf den ersten Höreindruck ungewöhnlich erscheint, erweist sich im Laufe der 16 ausgewählten Lieder als packendes Hörtheater.

CD-Cover Natalie Dessay singt Lieder von Franz Schubert | Bildquelle: Sony

Bildquelle: Sony

Der CD-Tipp zum Anhören

Dessay, die der Oper den Rücken gekehrt hat und sich nur noch auf ausgewählte Lied- und Chanson-Projekte sowie das Theaterspielen konzentriert, taucht Schuberts Miniatur-Seelenspiegel mit ihrem immer noch glockenhellen und wendigen Sopran und mit ihrer reichhaltigen dramatischen Gestaltungspalette in ein ganz eigenes Licht. Wie in einem Spotlight lässt sie die einzelnen Lieder funkeln, fokussiert sie zuweilen zu einem gleißenden Laserstrahl. Und wenn Text und Melodie in diffuse Traumlandschaften eintauchen, taucht sie auf hauchzartem Atem mit hinein: Hingetuschte Seelenregungen auf den Flügeln der Fantasie.

Worte in instrumentalen Landschaften

Bei ihrer vokalen Reise durch die Schubertschen Betrachtungen wird sie von Philippe Cassard hinreißend begleitet. Er, dessen internationale Karriere 1985 als Liedbegleiter von Christa Ludwig begann, ist ihr erfahren-behutsamer Wegbereiter und Wegbegleiter, das eine Mal gemessenen, ja vorsichtigen Schrittes, die Töne dahintupfend, das andere Mal euphorisch bewegt, mit brausendem Schwung. Ein nobles Ausloten der instrumentalen Landschaften, in denen Natalie Dessay die Poesie der Worte betten kann. Wie ein Schmetterling scheint sie darin von Blüte zu Blüte zu fliegen, innig betrachtend, rastlos suchend.

Beeindruckend, wie Dessays schlanker Koloratursopran den Liedern von Franz Schubert jene dunkle Schwermut deutscher Romantik nimmt, die so untrennbar zusammen zu gehören scheinen. Das liegt zum einen an der clairté ihrer Stimme, an der erlesenen Tongestaltung, ihrem Grundgerüst vom seelenfahlen, auf dem Atem liegenden Ton bis zur dramatischsten Zuspitzung höchster Erregung. Aber es ist auch die makellose Beherrschung der deutschen Sprache, mit der sie die Poesie der Schubertschen Dichter in höchster Perfektion zum klingen bringt. Dass hier eine Französin singt - man käme beim besten Willen nicht drauf, wüsste man es nicht!

Stimmliche Wandlungsfähigkeit

Und wer bislang glaubte, der Erlkönig entfalte seine düsteren Schauer nur mit einer Männerstimme oder aber mit einem dunkel timbrierten Sopran oder Mezzo, der erlebt hier sein nachtschwarzes Wunder. Ein gruseliges Kabinettstück, in dem Natalie Dessay mit unglaublicher stimmlicher Wandlungsfähigkeit zwischen dem Erzähler, dem Vater oder hier eben eher der Mutter, dem Kind und dem Tod hin- und herpendelt. Ein gesungenes Schauspiel, ein Kammerspiel, das das Herz rasen lässt.

Schubert und Dessay - eine Liaison formidable, die ihren Platz im Reigen maßstabsetzender Schubert-Interpretationen erobert hat.

Lieder von Franz Schubert

Franz Schubert: Schwanengesang, D.957 "Du bist die Ruh" D.776, "Erlkönig" D.328 und viele Lieder mehr
Natalie Dessay (Sopran)
Philippe Cassard (Klavier)

Label: Sony

Sendung: "Leporello" am 5. Mai 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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