Der Franko-Kanadier Yannick Nézet-Séguin ist ein Tausendsassa, ein Charismatiker und Sympathieträger für die Klassik. Kein Wunder, dass sich die Spitzenorchester weltweit um den 40-jährigen Pultstar reißen. Gleich bei drei Orchestern ist Nézet-Séguin derzeit Chef: beim Orchestre Métropolitain im heimatlichen Montreal, beim Rotterdam Philharmonic Orchestra und vor allem beim Philadelphia Orchestra, einem der "Big Five“ in den USA. Daneben gastiert er noch bei einigen handverlesenen Orchestern – so steht der Dirigent auch regelmäßig beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks am Pult.
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CD-Tipp 07.04.2015
Marice Ravel - "Daphnis et Chloé"
Elegant und leichtfüßig klingt so vieles in Maurice Ravels Ballett "Daphnis et Chloé“. Und doch machten seine komplexen Rhythmen den Tänzern der Pariser Uraufführung 1912 noch ganz schön zu schaffen. Dazu kam die komplizierte Choreographie, die Mikhail Fokine für die Ballets Russes des Impresarios Sergej Diaghilew kreierte. Von Fokine stammt auch das Libretto, das auf dem Hirtenroman des spätantiken Dichters Longos beruht. Darin wird die Liebe zwischen Daphnis und Chloé auf eine harte Probe gestellt, wenn Piraten das Mädchen entführen.
Ravel hat das durch einen wilden Kriegstanz ausgedrückt, der an Strawinskys Ballettmusik aus derselben Zeit erinnert – und doch lobte der aufstrebende Kollege "Daphnis et Chloé“ als "Ravels bestes Werk“. In den orgiastischen Szenen animiert Yannick Nézet-Séguin die Rotterdamer Philharmoniker mit Verve zu rhythmischer Brillanz. Aber er lotet auch den suggestiven Klangfarben-Reichtum Ravels raffiniert aus und nimmt sich Zeit für die gekonnt disponierten Steigerungswellen.
Der genial instrumentierte "Tagesanbruch“ zu Beginn des dritten Teils ist die berühmteste Nummer des Balletts. Hier kommt nicht nur die riesige Orchesterbesetzung prachtvoll zum Einsatz, der Niederländische Rundfunkchor verstärkt den magischen Eindruck noch durch erlesene Vokalisen. Den größten Kontrast dazu setzt eine einzelne Flöte mit orientalischen Melismen, wenn der Hirtengott Pan der bedrängten Chloé zu Hilfe eilt.
Das hohe Niveau der niederländischen Musiker zeigt sich in solchen intimen Momenten ebenso wie im abschließenden entfesselten Bacchanale. Dem symphonischen Anspruch Ravels in "Daphnis et Chloé“ stellt Yannick Nézet-Séguin in der melancholischen "Pavane für eine verstorbene Prinzessin“ den fragilen Zauber der Miniatur gegenüber. Der weiträumige Sound und das breite Dynamikspektrum dieser Ravel-CD machen den Klangrausch perfekt.
"Daphnis et Chloé", Choreographische Symphonie in drei Teilen (komplette Ballettmusik)
"Pavane pour une infante défunte" (Orchesterversion)
Netherlands Radio Choir
Rotterdam Philharmonic Orchestra
Leitung: Yannick Nézet-Séguin
Label: BIS