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CD - Nils Mönkemeyer spielt William Waltons Violakonzert

Dass sich klassische Musiker so gern Bratschenwitze erzählen, ist natürlich völlig ok, verrät aber auch eine Menge über den Druck, unter dem Orchestermusiker stehen. Offenbar tut es gut, wenn alle sich einig sind über die Zielscheibe des Spotts. Gruppendynamik nennt man sowas.

Bildquelle: Sony Classical

Der CD-Tipp zum Anhören

Den Bratschisten macht‘s wenig aus: Nils Mönkemeyer etwa könnte, wenn ihn das nicht längst langweilen würde, jeden Bratschenwitz spielend mit einem besseren kontern. Er hat auch allen Anlass zu souveräner Gelassenheit. Als einem der wenigen Bratschisten der jungen Generation ist es Mönkemeyer gelungen, eine internationale Solokarriere zu machen.

Die Entdeckung des modernen Bratschenklangs

Ganz so schwer wie in früheren Zeiten ist das zum Glück heute nicht mehr. Zu verdanken ist das vor allem einem gewissen Lionel Tertis. Der war vor gut 100 Jahren der erste Bratschist der Musikgeschichte, der sich nachhaltig als Solist durchsetzen konnte. Tertis verschaffte sich selbst bei berühmten Geigern wie Fritz Kreisler Respekt. Mit 19 hatte er zum ersten Mal eine Bratsche in der Hand, eher unfreiwillig, weil halt beim Quartettspielen ein Bratscher fehlte - die klassische Situation. Spontan verliebte sich Tertis in den warmen, rauchigen Klang dieses vernachlässigten Instruments. Unermüdlich kämpfte er um Anerkennung für die Bratsche, wies darauf hin, dass moderne, deutlich größer gebaute Instrumente wesentlich besser klingen als die früher meist üblichen kleinen Bratschen. Am wichtigsten aber war, dass Tertis zahlreiche Bratschenkonzerte in Auftrag gab. Denn wie sollte man beweisen, was in der Viola steckt, wenn es kaum Solokonzerte gab?

Auch der britische Komponist William Walton schrieb ein Bratschenkonzert für Lionel Tertis. Dankbar folgt ihm nun mit einer mustergültigen Einspielung Nils Mönkemeyer. William Waltons Musik findet einen originellen Weg zwischen Spätromantik und Moderne. Nostalgische Melodien, die das ländliche England beschwören, wechseln mit rhythmisch mitreißendem Drive, der vom nervösen Leben der Großstadt London zu erzählen scheint. Geschickt verwebt Walton den Solopart mit dem farbig instrumentierten Orchester, unterfüttert von einer süffigen, eigenwillig zwischen Dur und Moll changierenden Harmonik.

Gesanglicher Wohllaut und kerniger Ton

Nils Mönkemeyer zieht souverän die klanglichen Register seines Instruments - zwischen dem gesanglichen Wohllaut einer angenehm verschleierten Altstimme in den lyrischen Partien und einem kernigen Ton mit pointierter Attacke in den jazzigen Abschnitten. Ein hellwacher, reaktionsschneller Partner ist ihm Markus Poschner am Pult der wunderbar warm und dunkel klingenden Bamberger Symphoniker. Das ist tolle Musik - handwerklich auf höchstem Niveau, inspiriert und spontan zugänglich. Höchste Zeit, dass dieses Stück bekannter wird.

Als Zugabe gibt es auf dieser originellen CD zwei Werke des Romantikers Max Bruch: das Kol Nidrei, eigentlich für Cello komponiert, und die Romanze op. 85, eine der wenigen romantischen Originalkompositionen für Bratsche und Orchester. Und schließlich - als meditativen Ausklang - "Fratres", ein Schlüsselwerk des estnischen Komponisten Arvo Pärt. Eine lohnende und genussreiche Entdeckungsreise, inspiriert vom reichen Klang eines längst nicht mehr unterschätzten Instruments.

Mönkemeyer spielt Werke von Walton, Bruch, Pärt

William Walton: Violakonzert
Max Bruch: "Kol Nidrei" op. 47 für Viola und Orchester
Arvo Pärt: "Fratres" für Viola, Streicher, Percussion

Nil Mönkemeyer, Bratsche
Bamberger Symphoniker
Leitung: Markus Poscher

Label: Sony Classical

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