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CD - "Now, and then" Transkriptionen von Bruno Maderna und Luciano Berio

Bruno Maderna und Luciano Berio interessierten sich für die Musik anderer Jahrhunderte genauso wie für die Musik ihrer Gegenwart. Besonders Maderna beschäftigte sich intensiv mit italienischer Renaissance- und Barockmusik und bearbeitete sie für moderne Instrumente. Berio setzte sich in einer ganzen Werkreihe mit eigenen Stücken auseinander, die er in Neukompositionen für Orchester und Solopart erweiterte. Eine aktuelle CD des Labels ECM führt unter dem Motto "Now, and then" Transkriptionen von Berio und Maderna zusammen.

CD-Cover "Now, and then" | Bildquelle: ECM New Series

Bildquelle: ECM New Series

Der CD-Tipp zum Anhören

Dass sich Interesse und Leidenschaft für Neues und Altes in der Kunst nicht ausschließen, war für den Komponisten und Dirigenten Bruno Maderna selbstverständlich. So trieb er die elektronische Gegenwartsmusik in Italien nach dem 2. Weltkrieg voran und bearbeitete gleichzeitig alte Musik für großes Orchester, etwa venezianische Barockmusik von Giovanni Gabrieli.

Scheinbar Altbekanntes im Licht der Gegenwart

Diese Canzone für drei Chöre komponierte Gabrieli für Aufführungen in der Basilika von San Marco in Venedig. Und wie in anderen Transkriptionen war die Raumkonzeption dieses Kirchenbaus für Bruno Maderna hier entscheidend. Mit sogenannter "historisch-informierter" Aufführungspraxis hat seine Version dabei nichts zu tun. Maderna fächert die Klangräume im groß besetzten Orchester auf. Verschiedene selbständig agierende Instrumentengruppen verwandeln und vervielfältigen musikalische Motive. Auf diese Art und Weise wird Gabrielis Canzone anders und neu erlebbar. Madernas Übersetzung rückt scheinbar Altbekanntes ins Licht seiner Gegenwart. Schöpferisches Tun und Interpretieren greifen ineinander und vermischen sich. Gleiches gilt auch für Madernas Transkriptionen von Girolamo Frescobaldi, Giovanni Legrenzi oder Lodovico da Viadana.

Bearbeitungen haben Maderna zeitlebens beschäftigt. Sie sind für sein gesamtes Oeuvre zentral. Vermutlich hat dieses Genre zwischen dem Dirigenten und Komponisten auch vermittelnd gewirkt. In der Vorstellung, dass sich Vergangenes und Gegenwärtiges kontinuierlich bedingen, trifft sich Maderna mit Luciano Berio, seinem fünf Jahre jüngeren Weggefährten und Freund. Auch Berio greift auf vorliegende Klanggebilde zurück und nimmt sie als Grundlage für neue. Komponieren bedeutet für ihn Analysieren, Übersetzen, Kommentieren. Viele Eigenkompositionen hat er bearbeitet und zu Orchesterwerken erweitert, so auch unter dem Titel "Chemins" (Wege) einige Stücke aus seinem "Sequenze"-Zyklus für verschiedene Soloinstrumente. 

Für das neue Maderna-Berio-Album hat Dennis Russell Davies mit dem Gitarristen Pablo Márquez und dem Orchestra della Svizzera italiana Berios "Chemins V" für Gitarre und Kammerorchester erstmals aufgenommen. Dieses Stück von 1992 basiert auf der Sequenza XI für Gitarre solo. Laut Berio ist es deren "beste Analyse".

Analysierende Umschrift

"Now, and then" - so heißt diese neue CD mit Musik von Luciano Berio und wunderbaren Transkriptionen von Bruno Maderna. Wenn für Maderna die Transkription alter Musik vor allem "Deuten" heißt, begegnet man bei Berio eher einer "analysierenden Umschrift". Die Gegenüberstellung beider Arbeitsweisen ist jedenfalls ein faszinierender musikalischer Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart, eindrücklich interpretiert und transparent gemacht. Ein besonderes, ein tolles Album!

"Now, and then"

Bruno Maderna:
Transkriptionen von Frescobaldi, Legrenzi, Gabrieli, Viadana und Wassenaer
Luciano Berio:
Chemins V

Orchestra Della Svizzera Italiana
Pablo Márquez, Gitarre
Leitung: Dennis Russell Davies

Label: ECM New Series

Sendung: "Leporello" am 9. November 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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