"Belcanto ist diese Reinheit der Linie. Dieses perfekte Legato, dieses ganz einfache Legato in einer einfachen Melodie. Das 'Singen pur'. Vor allem muss man im Belcanto auch eine Persönlichkeit mitbringen."
Bildquelle: Sony Classical
CD-Tipp 08.08.2015
Der CD-Tipp zum Nachhören!
Dieses sagte die Sopranistin Olga Peretyatko. Und eine Persönlichkeit, das ist die Peretyatko voll und ganz. Die Russin liebt die Bühne, und sie liebt die Inszenierung. Die Fotogalerie auf ihrer Web-Seite ist größer als ihre Repertoireliste: Olga im roten Mantel beim Nudel-Kaufen, Olga beim Schminken in der Garderobe und backstage, mit weißem Tüll-Kleid und Lederjacke, auf den Auftritt wartend. Sie ist bildhübsch, eine Mischung aus Anna Netrebko in jung und Anna Prohaska. Mal Kindfrau, mal Großstadt-Dame. Wenn Olga Peretyatko auftritt, gehören ihr in Sekundenschnelle die Bühne und die Aufmerksamkeit. Rampenlicht: immer her damit! Recitals zu geben und Hits aneinanderzureihen, findet sie genauso klasse wie eine Vorstellung an der MET oder der Scala.
Man kann das alles skeptisch beäugen, den Glamour zu viel finden. Man kann sich fragen, ob eine Opernsängerin sich wie Grace Kelly inszenieren muss und was das alles mit Rossini-Arien zu tun hat. Man kann es aber auch beiseite lassen, die Verpackung ignorieren und zuhören. Was man dann erlebt, ist eine faszinierend junge, volle, perfekt gerundete Belcanto-Stimme, einen Sopran mit einem Hauch von Mezzo-Tiefe und ein Timbre, das klingt, wie der Indian Summer bunt und warm ist. Die russische Sopranistin Olga Peretyatko hat ein Material, das – wie bei ihrer Landsfrau Netrebko – einzigartig und glückselig machend ist. Was sie auch hat (und erst dadurch wird das Ganze zur Kunst): eine vollendete Technik, mit der sie ihre Stimme schonend und fordernd zugleich in wildeste Koloraturen und höchste Höhen lenkt. Immer souverän, geführt, kontrolliert.
Olga Peretyatko weiß in jedem Moment, was sie musikalisch und stimmlich macht und warum. Der Belcanto, speziell Rossini, ist ihre Heimat, ihre Ursuppe, aus der heraus sie blind und zugleich professionell agieren kann. So soll es sein, in der italienischen Opernwelt des 19. Jahrhunderts, wo die Stimme zum Ausdrucksfeld der Emotionen wird: Von der Koketterie bis zum Wahnsinn ist alles dabei. Und dann kommt Olga Peretyatko eben doch auch noch zugute, dass sie spielen kann, mit sich, den Rollen und ihrem Publikum. So werden die kokette Donna Fiorilla, die verzweifelte Gräfin Folleville und die selbstsichere Matilde alle zu echten Persönlichkeiten. Purer Belcanto eben.
Gioachino Rossini:
Arien aus "Il viaggio a Reims", "Matilde di Shabran", "Tancredi", "Semiramide", "Il barbiere di Siviglia" und "Il turco in Italia"
Orchestra del Teatro comunale di Bologna
Olga Peretyatko (Sopran)
Leitung: Alberto Zedda
Label: Sony Classical