"Wandelbar" ist ein Wort, das auf viele Künstler zutrifft. Es gehört quasi zum Handwerkszeug, sich auf der Bühne oder im Konzertsaal in verschiedene Figuren hineindenken und ihnen gerecht werden zu können. Optisch, psychologisch, bei Sängern auch stimmlich.
Bildquelle: Sony Classical
Der CD-Tipp zum Anhören
Wenn jemandem seine Wandelbarkeit zur zweiten Natur geworden ist, dann der russischen Sopranistin Olga Peretyatko. Die 37-Jährige liebt es, sich in die unterschiedlichsten Opernrollen hineinzuleben und von Anmut über Leidenschaft bis zum Wahnsinn alles darzustellen, was die Komponisten den mehrheitlich äußerst emotionalen Bühnen-Damen an Noten und Gefühlswallungen mitgegeben haben. Wie ein Chamäleon singt sie sich lustvoll durch Rossinis Semiramide, Matilde und Rosina, durch Donizettis Lucia, Verdis Gilda und Massenets Manon. Immer koloratursicher und technisch brillant, vor allem aber authentisch und wahrhaftig. Und meistens: italienisch. Jetzt, endlich, kommen zu diesem Portfolio Olga Peretyatkos russische Landsfrauen hinzu.
"Russian Light" heißt das neue Arien-Album von Olga Peretyatko, und das Wort "light" lässt sich durchaus doppeldeutig verstehen. Ein russisches Licht, eine weitere spannende Facette, fällt damit auf das große Repertoire der extrovertierten Sopranistin. Arien und Orchesterlieder von Glinka, Rimsky-Korsakov, Rachmaninow, Strawinsky und Schostakowitsch präsentiert Olga Peretyatko stilistisch jeweils äußerst geschmackvoll und zeigt, dass sie von den Anfängen der russischen Oper bis zur Operette im 20. Jahrhundert weiß, was stimmlich und interpretatorisch gefragt ist. Bekanntes ist dabei, aber die Arien von Glinkas Ludmila, Rimskij-Korsakovs Marfa und Schostakowitschs Lidochka sind - zumindest für westliche Ohren - auch keine absoluten Evergreens. Für Peretyatko gehören sie teils schon seit dem Studium zum musikalischen Fleisch und Blut; so natürlich und selbstverständlich und geradezu lässig singt sie sie auch.
Der CD-Titel "Russian Light" lässt sich aber auch künstlerisch lesen: leicht, behände, wie eine Feder führt Olga Peretyatko ihre warme, samtene, weder zu dünne noch zu schwere Sopranstimme durch die Register, durch die Koloraturen und Melodiebögen, durch die Gefühlswelten. Intonationssicher, wunderbar rund in der Phrasierung, nie hektisch, immer mühelos. Natürlich auch perfekt in der russischen Diktion, jedes Wort ist zu verstehen und die Sprache mit ihren dunklen Schattierungen verleiht Peretyatkos Timbre eine zusätzliche Eleganz. Dieser Stimme zuzuhören, macht einfach glücklich; egal, in welcher Farbe das Chamäleon gerade schimmert.
Arien und Orchesterlieder von
Michail Glinka,
Nikolai Rimsky-Korsakow,
Sergej Rachmaninow,
Igor Strawinsky
und
Dmitrij Schostakowitsch
Ural Philharmonic Orchestra
Leitung: Dmitri Liss
Label: Sony Classical
Sendungsthema aus "Leporello" am 06. Juni 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK