In deutscher Kriegsgefangenschaft geschrieben, wurde Olivier Messiaens "Quatuor pour la fin du temps" zu einem der zentralsten Kammermusikwerke des 20. Jahrhunderts. Für diese Neueinspielung haben sich gleich drei ECHO KLASSIK-Preisträger zusammengefunden: Klarinettist Martin Fröst, Pianist Lucas Debargue und Geigerin Janine Jansen nähern sich gemeinsam mit dem Cellisten Torleif Thedéen auf paradiesische Weise dem Ende der Zeit.
Bildquelle: Sony Classical
Der CD-Tipp zum Anhören
Hört sich so Musik an, die in einem Kriegsgefangenenlager, in einer kritischen Situation auswegloser Ungewissheit geschrieben wurde…?
Bei Olivier Messiaen sind beide musikalische Idiome Spielarten ein und derselben religiösen Überzeugung. Ohne die tiefe Verwurzelung im katholischen Glauben sind seine Kompositionen undenkbar. Vor allem in seinem "Quatuor pour la fin du temps". Dieses Ende der Zeiten hat für ihn nichts beängstigend Apokalyptisches, sondern verweist vielmehr auf die ewige Herrlichkeit Gottes, die allen Menschen zu Teil wird. Daran können selbst die sieben Posaunen am Tag des Zorns nichts ändern.
Messiaens wegweisendes ungewöhnlich besetztes Quartett ist vielleicht eines der zentralsten Kammermusikwerke des 20. Jahrhunderts. Die programmatische Vision vom Ende der Zeit findet seine subtile kompositorische Übersetzung in der Aufhebung dessen, was Kompositionen grundsätzlich Struktur verleiht: Der Aufhebung jeder metrischen und rhythmischen Ordnung. Die Transzendenz von Messiaens katholisch-christlicher Überzeugung wird hörbar - schwebend leicht, ewig.
Lange hat Messiaens kammermusikalisches Schlüsselwerk im Klarinettisten Martin Fröst geschlummert. Mit der Geigerin Janine Jansen, dem Cellisten Torleif Thedéen und dem Pianisten Lucas Debargue hat er nun seine Traumpartner gefunden, um dieses Werk einzuspielen.
Tief sind die vier in das Mysterium der Partitur mit ihren rhythmischen Kapriolen vorgedrungen. Und so wohnen die Hörer munter-unschuldigem Vogelgezwitscher als Abbild der göttlichen Schöpfung ebenso bei, wie massiv-endzeitlichen Ausbrüchen, der die vier Musiker bedrohliche und unausweichliche Wucht verleihen. Hier haben sich vier gefunden, die Messiaens Erlösungsvisionen ernst nehmen, die ihnen zugleich auch vor dem Hintergrund ihrer Entstehungsgeschichte aktuelle Bedeutung und Schönheit verleihen - in Demut vor der zeitüberdauernden Meisterschaft ihres Schöpfers. Sensibel hören und loten sie das Stimmengeflecht der acht Sätze aus. So wird etwa der "Lobgesang auf die Ewigkeit Jesus" im 5. Satz zum glühenden Bekenntnis. Atemberaubend die Intensität des Spiels zwischen der beschwörenden Cellomelodie und den meditativ kreisenden Klangstufen des Klaviers.
Immer wieder finden die vier zu einer spirituellen Ekstase, jenem so essentiellen Grundelement im Schaffen von Olivier Messiaen. Mit dem "Quatuor de la fin du temps" bauen sie eine tönende Kathedrale voller kristallener Klarheit, vitaler Überzeugtheit und poesievoller Demut. Dabei tönt alles in jugendlicher Frische, ebenso zupackend wie zurückhaltend, zerbrechlich und sphärenhafter Schönheit, dass man glauben könnte, sie befänden sich in einem imaginären intensiven Zwiegespräch mit dem Komponisten. Und der scheint ihnen zuzuflüstern: "Ihr spielt paradiesisch."
Martin Fröst, Klarinette
Lucas Debargue, Klavier
Janine Jansen, Violine
Torleif Thedéen, Violoncello
Label: Sony
Sendung: "Leporello" am 15. November 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK