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CD - Peteris Vasks Streichquartette

"Ich habe immer geträumt, dass meine Musik einmal an Orten zu hören sein würde, an denen unglückliche Menschen versammelt sind – in Krankenhäusern und Gefängnissen, in überfüllten Strassenbahnen und Bussen.... tröstend und fragend."

Bildquelle: Wergo

CD-Tipp 12.12.2015

Peteris Vasks: Streichquartette

Ja, er hat eine Botschaft, ein Mission. Peteris Vasks, Sohn eines Baptistenpredigers aus Lettland. Er will die Menschen mit seiner Musik ansprechen, berühren. In ihrem Inneren zum Schwingen bringen. Ein Humanist, der sich in Tönen ausdrückt.

Existenzielle Empfindungen, sensibel kanalisiert

Wenn Vasks von Hoffnung und Trost spricht, von zärtlicher Traurigkeit und tiefem Pessimismus, den er in seinen Kompositionen durchleben muss, um die Schönheit der Welt letzten Endes zu begreifen, sind das keine leere Worthülsen, keine Befindlichkeitsphrasen, die er als Etiketten an seine Brust heftet. Es sind existenzielle Empfindungen, die Vasks in seinem enormen Schaffen auf hochsensible Weise kanalisiert. Am eigenen Leib hat er gewaltvolle kulturelle Übergriffe des sowjetischen Staates in seiner Heimat Lettland erfahren. Das Wunschstudium wurde ihm verwehrt. Vasks wich als Kontrabassist nach Wilna ins benachbarte Litauen aus. Komponieren durfte er jedoch erst später, als 27-jähriger. Heute zählt Vasks zu den bekanntesten Komponisten aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Und sein Land Land ist sichtbar stolz auf ihn: Dreimal bekam der heute 69-Jährige den Großen Musikpreis Lettlands.

Modale Klangwelten

Nicht fremd, sondern eigen ist seine Musik. Oft breitet sie sich in modalen Klangwelten aus: leere Quinten, gespreizt zu Sexten. In seinen hier eingespielten Streichquartetten schreckt der Komponist auch vor einem klassischen Moll nicht zurück, ebenso wie vor einem romantischen Musiziergestus, der an die rhythmische Entschlossenheit von Brahms erinnert. Das klingt vertraut. Doch es bleibt geheimnisvoll, wie Vasks  eine innere Logik entwickelt, die uns beim Zuhören unmerklich woanders hinführt.

Expressive Wucht

Mit anrührender Naivität experimentiert der Lette in seinem zweiten Streichquartett "Sommerweisen" mit einer außermusikalischen Programmatik, die seine Gedanken wie in einem Bilderbuch offenlegt. Die vier Musiker des Spikeru String Quartetts bewegen sich dabei immer wieder an der Grenze des Geräuschhaften, spielen aus dem Schatten heraus, imitieren Vogelstimmen und das Rauschen des Meeres. Das Gleißen des Lichts wird unerträglich wie unter einem Brennglas, das Glühen des Bogens auf den Saiten scheint mitkomponiert. Auch in dem 5. Streichquartett, entstanden 2003/2004 legt sich das lettische Spikeru Quartett überragend ins Zeug, um die expressive Wucht zu stemmen. Besonders in den weiten kantablen Landschaften strahlen die Musiker eine starke innere Ruhe aus. Ihre unbestechliche Distanz der Wahrhaftigkeit ist ihnen hoch anzurechnen. Denn Vasks’ Traum von "Versöhnung, um zum Gleichgewicht der Welt beizutragen" muss man nichts hinzufügen.

Peteris Vasks: Streichquartette

Streichquartett Nr. 2 "Sommerweisen"
Streichquartett Nr. 5
Spikeru String Quartet
Label: Wergo

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