Philippe Jaroussky, der Countertenor mit der expressiven und virtuosen "Engelsstimme", hat neben seinem großem Interesse für barockes Prachtrepertoire noch eine andere Schwäche, nämlich für die Pariser Belle Epoque in all ihren Facetten, Farben, musikalischen Duftnoten und Gefühlslagen.
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CD-Tipp 07.03.2015
Philippe Jaroussky - "Green"
In seinem neuen Liederalbum "Green" mit französischen Komponisten führt er uns in die Welt der illustren Kaffeehäuser, wo im Rausch des Fin de Siècle genau ein Dichter anzutreffen ist: Paul Verlaine. Ein Prototyp einer Künstlergeneration: durchzechte Nächte in Paris, Experimente mit Absinth und Drogen, eine gescheiterte Ehe, eine homoerotische Beziehung mit einem jüngeren Mann. Und dazu jede Menge Sehnsucht, auf Papier niedergeschrieben. Paul Verlaine saß im Gefängnis, die misshandelte Ehefrau verließ ihn, die Mutter musste ihn immer wieder finanziell retten. Was für ein Leben – und was für eine Poesie.
Seine Worte sollten wie Musik klingen, seine Gedichte wie Klangkompositionen. Der Countertenor Philippe Jaroussky schwebt über den Versen wie ein edler Schwan, mühelos können wir mit ihm dahingleiten, sinnlich und lustvoll hinein in das parfümierte Verwelken der Pariser Belle Epoque. Von 1880 bis heute existieren über 1.500 Vertonungen von Verlaines Gedichten, verfasst von Fauré bis Varèse, von Debussy bis Trenet. Seine Wortkreationen wurden oft mehrfach adaptiert, und dieser Variantenreichtum macht gerade den Reiz von Jarousskys sehr persönlichem Verlaine-Album aus.
Denn die Vielfalt der Versionen kann man mit wissenschaftlicher Neugier verfolgen, sie vergleichen, analysieren. Man kann sich aber auch einfach nur den Farben und Stimmungen hingeben, die Jaroussky, der Pianist Jérome Ducros und das Quatuor Ebène hochsensibel hervorzaubern. Getragen vom gemeinsamen Atmen entstehen in allen möglichen Besetzungskombinationen filigrane Schmuckstücke, die das Spiel der Worte pastellhell reflektieren, aber auch kokett kontrastieren. Zum Beispiel ein vergnügtes Schlendern am emotionalen Abgrund - auch das kann "la mélodie française", die immer ein wenig mehr mit dem Alltag zu tun hat als das deutsche Kunstlied.
Selbst im größten Überschwang bleibt Philippe Jaroussky mit seinem eleganten Timbre vornehm nobel. Die fahlen Stimmungen mit betörendem Flirren, das poetische Stillstehen voller Intensität, das liegt ihm. Mit seinem langjährigen Klavierpartner Jérome Ducros und den gleichaltrigen Kollegen vom Quatuor Ebène hat er für seine wunderschön gestaltete Hommage an den Dichter Verlaine perfekte Gleichgesinnte gefunden, um als Franzosen von heute einem großen gemeinsamen Erbe zu lauschen.
Französische Lieder nach Gedichten von Verlaine
Werke von Fauré, Debussy, Chausson, Chabrier, Honegger, Trenet u.a.
Philippe Jaroussky (Countertenor)
Jérome Ducros (Klavier)
Quatuor Ebène
Label: Erato