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CD - Sergej Prokofjew Symphonien Nr. 1 und 7

Da steigt einer kometenhaft auf und macht Karriere in der russischen Armee. Ebenso plötzlich stirbt er dann einen tragischen und vorzeitigen Heldentod: Leutnant Kishe. Kleiner Schönheitsfehler: der Kerl hat nie existiert, ist eine Karteileiche, durch einen Schreibstuben-Irrtum entstanden. Und hat es dann, weil die zaristischen Beamten die Peinlichkeit nicht eingestehen wollten, ordentlich zu was gebracht, hat geheiratet, gekämpft und gesiegt. Nur eben auf dem Papier.

Bildquelle: Sony Classical

Der CD-Tipp zum Anhören

Eine typisch russische Satire, eine wunderbar absurde Persiflage über Obrigkeitshörigkeit und Spießertum unter Zar Paul I. ist dieser "Leutnant Kijé", über den der Regisseur Alexander Fainzimmer in der Sowjet-Ära einen Film drehte und Sergej Prokofjew 1933 die passende Musik komponierte. Feierlich, theatralisch, aber eben auch mit ironischen Spitzen.

Spritzig, witzig, temporeich

Dirigent Tugan Sokhiev, bis vor einem Jahr Chef des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin, erweist sich mit seinem Ex-Klangkörper auch auf der dritten gemeinsamen Prokofjew-CD als guter Stilist und Dramaturg. Der Russe kombiniert Prokofjews auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft geschriebene "Kijé"-Suite mit der letzten Symphonie cis-Moll, 1953 im Todesjahr komponiert, und mit seinem symphonischen Erstling, der "Classique". Spritzig, witzig, temporeich, mit ihr sorgte der junge Prokofjew 1918 unmittelbar nach der Oktoberrevolution in Petrograd für Furore.

Im Stil von Haydn, nur modern

"Die Spießer ärgern" wolle er mit seiner "klassischen Symphonie", gab Sergej Prokofjew zu. Anfang des 20. Jahrhunderts hatte er sich mit allerlei exzentrischen Stücken als "Enfant terrible" positioniert; jetzt also eine Symphonie im Stil von Haydn, nur modern. Interpretatorisch nicht unheikel: Beiläufig und perlend brillant muss sie daherkommen, damit sie wirkt. Präzise wie ein Schweizer Uhrwerk müssen die Bälle hin- und herfliegen, müssen die Akzente sitzen. Ein Balanceakt zwischen Mechanik und Esprit, den Tugan Sokhiev und das DSO Berlin blitzsauber meistern.

Interpretation ohne Ideologie

Deutlich schwieriger, weil rätselhaft, markiert Prokofjews 7. Symphonie cis-Moll das Ende - des Schaffens, und des Komponisten. Altersmilde, erhaben über den Dingen, abgeklärt finden sie die einen. Ein schwaches Werk eines vom Sowjet-Regime zermürbten, kranken Mannes, sagen die anderen. Tugan Sokhiev und das DSO schlagen sich interpretatorisch nicht auf eine Seite, weichzeichnen nicht, ideologisieren aber auch nicht, sondern bleiben angenehm unpathetisch am Notentext. Damit wird Prokofjews symphonischer Schwanengesang nicht weniger mysteriös, aber die Einspielung künstlerisch spannend.

Sergej Prokofjew: Orchesterwerke

Symphonie Nr. 1 D-Dur, op. 25 "Symphonie classique"
Symphonie Nr. 7 cis-Moll, op. 131
Suite aus "Leutnant Kijé", op. 60

Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Leitung: Tugan Sokhiev

Label: Sony Classical

Sendung: "Leporello" am 10. Mai 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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