Konzertante Opernaufführungen gibt es in München vor allem durch das Münchner Rundfunkorchester. Was die vergleichbare Opernmetropole Wien betrifft, sorgt das dortige Radiosymphonieorchester des ORF für nicht-szenische Opernabende im Konzerthaus. Von dort kommt nun "Il tabarro / Der Mantel", der erste Teil des "Trittico" von Giacomo Puccini. Und wieder trägt der langjährige Chefdirigent des RSO Wien die musikalische Verantwortung: der auch in München bestens bekannte Franzose Bertrand de Billy.
Bildquelle: Capriccio
Der CD-Tipp zum Anhören
Wenn der König höchstpersönlich den Komponisten nach der Premiere einer neuen Oper zu sich in die Loge bittet, ist das für den Musiker ein Kompliment erster Güte. Fünf Jahre vor seinem Tod widerfuhr Giacomo Puccini diese Ehre: am 11.Januar 1919 im römischen Teatro Costanzi. Der Beifall des Regenten galt der düsteren Dreiecksgeschichte - "Il tabarro".
"Der Mantel" ist ein ungewöhnlicher Operntitel: das Schutz bietende Kleidungsstück ein würdiger Titelheld? Am Ende des naturalistischen Einakters versteckt ein Mörder unter seinem Mantel eine Leiche: den von ihm erdrosselten Rivalen um die Gunst seiner Frau! Was man als "Tristan für kleine Leute" bezeichnet hat, gestaltete der Librettist Giuseppe Adami nach einem französischen pièce noire - dem Schauspiel "La houppelande". Musikalisch wird daraus bei Puccini ein knapp einstündiger Thriller mit zahllosen Ostinati, also notorisch wiederholten Instrumentalmotiven, durch die sich das Drama bedrohlich zuspitzt.
Es ist der Verlust des gemeinsamen Kindes, an dem diese Ehe zerbrochen ist: Die Charakterzeichnung des Michele durch Bariton Wolfgang Koch weckt nicht weniger Mitleid als die der Giorgetta durch Sopranistin Elza van den Heever – eine markante Besetzung! Für Luigi, das Mordopfer, wurde der 2016 verstorbene Johan Botha aufgeboten, der wie seine südafrikanische Landsfrau Elza van den Heever hochdifferenziert Akzente setzt. Ein feines Ohr beweist Dirigent Bertrand de Billy: bei den überraschend collagierten Klängen und Geräuschen, der ehrgeizigen Harmonik Puccinis. "Il tabarro", so lernen wir, geht uns dann am tiefsten unter die Haut, wenn man ihn isoliert wirken lässt - ohne dass ihm die beiden anderen Stücke des "Trittico" auf dem Fuße folgen: Schwester Angelica und Erbschleicher Gianni Schicchi.
Johan Botha, Tenor - Luigi
Wolfgang Koch, Bariton - Michele
Elza van den Heever, Sopran - Giorgetta
Heidi Brunner, Sopran - La Frugola
Charles Reid, Tenor - Il Tinca, Un venditore di Canzonette, Due Giovani amanti
Elisabeta Marin, Sopran - Due Giovani amanti
Janusz Monarche, Bass Il Talpa
Wiener Singakademie
ORF-Radiosymphonieorchester Wien
Leitung: Bertrand de Billy
Label: Capriccio
Sendung: "Leporello" am 30. April 2018 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK