Wer kennt ihn nicht irgendwoher, den Anfang des Zweiten Klavierkonzerts von Sergej Rachmaninow? Unzählige Soundtracks und Werbefilme sind damit unterlegt worden. Und bei einem "Best of" von Klassiktiteln darf dieser Rachmaninow sicher auch nicht fehlen.
Bildquelle: Sony Classical
Der CD-Tipp zum Anhören
Was passiert nun, wenn sich eine Pianistin wie Khatia Buniatishvili diesem romantischen Schwergewicht nähert? Anders als bei ihren bisherigen CDs demonstriert schon das Cover des neuen Albums Understatement: kein tiefer Ausschnitt, kein knallroter Lippenstift. Auf einem schwarz-weiß Foto blickt einem die Protagonistin ernst durch eine feucht-neblige Fensterscheibe entgegen – es könnte ein Zugfenster sein – hochgeschlossener Kragen, dezentes Styling. Dieses Fotomotiv soll wohl an den viel reisenden Rachmaninow erinnern, der sich zeitlebens in erster Linie als Komponist verstand, aber sicherlich einer der international bedeutendsten Pianisten des 20. Jahrhunderts war. Nachdem er 1917 Russland aus politischen Gründen verlassen hatte, musste er im Ausland vorrangig als gut gebuchter Pianist den Lebensunterhalt der Familie sichern. Seine Klavierkonzerte Nr. 2 und Nr. 3 brachte er selbst zur Uraufführung: 1901 das zweite Konzert in Moskau, 1909 sein drittes in New York.
Khatia Buniatishvili bewältigt die beiden virtuosen Rachmaninow-Konzerte temperamentvoll und unglaublich souverän. Mit großer Ausdruckskraft gestaltet sie ihren Solopart, verliert aber nie die Balance zwischen glühender Intensität und intelligenter Kontrolle über ihr Spiel. Pathetisch darf und soll diese Partitur stellenweise klingen. Das lassen Buniatishvili und die Tschechische Philharmonie unter der Leitung von Paavo Järvi auch zu. Dennoch ist es ein konzentrierter, überwiegend entschlackter Rachmaninow, der mit dieser Aufnahme zum Klingen kommt. Kraftvoll greift die 30jährige Solistin in die Tasten. Aber sie tut das an keiner Stelle zum Selbstzweck, sondern stets im Dienste eines musikalischen Ablaufs, der von Järvi sensibel mit dem immer wieder aufbäumenden Orchesterpart zusammengebracht und in einen transparenten und sehr gut ausbalancierten Gesamtklang überführt wird.
So sind diese beiden Rachmaninow-Konzerte vom gerne verabreichten Schmalz und undifferenzierter klanglicher Brachialgewalt wunderbar befreit. Es ist eine hochvirtuose, überzeugend fließende und gegenwärtige Interpretation, die demonstriert, wie wohltuend zeitgemäß und aus sich selbst sprechend zwei romantische Schlachtrösser gespielt werden können.
Sergej Rachmaninow:
Klavierkonzert Nr. 2 c-Moll, op. 18
Klavierkonzert Nr. 3 d-Moll, op. 30
Khatia Buniatishvili (Klavier)
Tschechische Philharmonie
Leitung: Paavo Järvi
Label: Sony Classical
Sendungsthema aus "Leporello" am 19. April 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK