Am 14. Januar feiert Mariss Jansons, seit 2003 Chefdirigent von Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, seinen 75. Geburtstag. Im Vorfeld sind beim Label BR-KLASSIK zwei Neuveröffentlichungen erschienen: eine 5-CD-Box, die mit Musik von Joseph Haydn bis Edgard Varèse ein musikalisches Porträt des Dirigenten zeichnet. Und ein Rachmaninow-Album, das zwei der tiefgründigsten Werke des "letzten Romantikers" enthält; die Konzertmitschnitte entstanden 2016 und 2017 im Herkulessaal der Münchner Residenz.
Bildquelle: BR-KLASSIK
Der CD-Tipp zum Anhören
Silberne Schlittenglöckchen und helles Kinderlachen erfüllen die russische Winterlandschaft. In seiner monumentalen Vokalsymphonie "Die Glocken" vertonte Sergej Rachmaninow 1913 das gleichnamige Gedicht von Edgar Allen Poe - und ließ sich wie der Dichter von unterschiedlichen Glockenklängen inspirieren, um die vier Lebensalter zu charakterisieren. Bald weicht die ausgelassene Stimmung dem erhabenen Klang von Hochzeitsglocken. Doch das Schicksalsrad dreht sich unerbittlich weiter: Wenn der Krieg über die Menschheit hereinbricht, läuten die Feuerglocken Sturm - und zum finalen Trauerzug dröhnen die Totenglocken. Die opernhaft-dramatischen Züge der "Glocken" liegen Mariss Jansons besonders. Und den Melodienreichtum Rachmaninows kosten die russischen Solisten sowie der Chor des Bayerischen Rundfunks expressiv aus.
Traumhafte Holzbläser-Soli, Präzision und Brillanz entlockt Jansons dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks auch in den Symphonischen Tänzen, dem letzten Werk Rachmaninows, entstanden 1940 im amerikanischen Exil. Die Klänge aus der Neuen Welt korrespondieren bei Rachmaninow mit der Sehnsucht nach der verlorenen Heimat - seine Klage über diesen Verlust hat er einem Saxophon anvertraut. Ein Kabinettstück sondergleichen ist - zwanzig Jahre nach Ravels "La Valse" - der zweite Tanz im Walzertempo. Jansons hat genau das richtige Gespür für die schwankenden Konturen, die rauschhaften Momente, das Taumeln über dem Abgrund - raffiniert variiert er das Tempo.
Rachmaninows Symphonische Tänze sind melancholische Lebensbilanz und nostalgischer Abgesang in einem. Ein kompositorisches Vermächtnis, das leicht zum sentimentalen Breitwandepos gerät. Doch Jansons hält mit rhythmischer Energie, Feinschliff und echter Empfindung dagegen. Und seine Emphase trifft mitten ins Herz.
Sergej Rachmaninow:
"Die Glocken" op. 35, Symphonisches Poem nach einem Gedicht von Edgar Allen Poe für Sopran, Tenor, Bariton, Chor und Orchester
Symphonische Tänze op. 45 für Orchester
Tatiana Pavlovskaja (Sopran)
Oleg Dolgov (Tenor)
Alexey Markov (Bariton)
Chor des Bayerischen Rundfunks
Einstudierung: Peter Dijkstra
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Mariss Jansons
Label: BR-KLASSIK
Sendung: "Leporello" am 9. Januar 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK