Musik und Mechanik – ein weites Feld! Wo sonst ticken Uhren während der ersten Takte eines Orchestervorspiels? "L’heure espagnole" ("Die spanische Stunde") zeigt uns einen Fachhandel, wo Zeitmesser hergestellt, repariert und verkauft werden, Stand- und Wanduhren zumal! Bisweilen dienen sie als Versteck, nicht etwa für Kinder, sondern für ausgewachsene Mannsbilder, die als Liebhaber der Hausherrin unerkannt bleiben wollen. Da knirscht so manches Logikscharnier, aber in Absurdistan darf das so sein…
Bildquelle: Naxos
CD-Tipp 17.05.2016
Der CD-Tipp zum Nachhören!
Eine nymphoman veranlagte Ehefrau steht im Fokus dieser frivolen "Comédie musicale". Für ihre Schäferstündchen wechselt sie, vielleicht auch nur aus Langeweile, ständig die Geschlechtspartner. Nach einer knappen Stunde, quasi in Echtzeit, mündet das Treiben auf der Bühne in eine Habanera, die komisch und erotisch zugleich wirkt. Aber auch poetisierend…
Sicher, es gibt die weltberühmte Habanera aus Bizets "Carmen", aber dem Finale von "L’heure espagnole" gebührt innerhalb des Genres ein vergleichbar hervorgehobener Ehrenplatz. Was für ein Jammer, dass Ravels Beitrag zum Thema höchstens ein bis zwei Prozent der Popularität genießt, verglichen mit der omnipräsenten Rivalin!
Detroit und Pittsburgh ist der Mann aus Los Angeles eng verbunden, Leonard Slatkin hat aber auch in Südfrankreich Anker geworfen. Seit 2011 ist er Chefdirigent des Orchestre National de Lyon. Dort hat er im Auditorium Maurice Ravel dem Namenspatron des Saals verantwortungsbewusst und idiomatisch sattelfest einen roten Teppich ausgerollt und jetzt eine animiert-animierende Wiedergabe der "Spanischen Stunde" zuwege gebracht. Slatkin macht deutlich: Das augenzwinkernd parodistische Libretto von Franc-Nohain war für den Komponisten eine Steilvorlage, mit dem Resultat eines brillant instrumentierten Stücks Musiktheater. Den geforderten Konversationston trifft das Gesangsquintett mit dem Willen zu angemessener Raffinesse: für romantisch-ironische Momente wie für zynisch-witzige. Die Mezzosopranistin Isabelle Druet führt es verführerisch an, während die Stimmruine des Baritons François Le Roux im richtigen Zusammenhang, bei der Zugabe, Mitleid für einen Ritter von der traurigen Gestalt weckt - Don Quichotte! Insgesamt eine CD, die den Rang Ravels unterstreicht: Er war ein Virtuose des Artifiziellen…
"L’heure espagnole"
"Don Quichotte à Dulcinée"
Isabelle Druet, Mezzosopran – Concepción
Luca Lombardo, Tenor – Torquemada
Frédéric Antoun, Tenor – Gonzalve
Marc Barrard, Bariton – Ramiro
Nicolas Courjal, Bass – Don Inigo Gomez
François Le Roux, Bariton – Don Quichotte
Orchestre National de Lyon
Leitung: Leonard Slatkin
Label: Naxos