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CD - Ray Chen "The Golden Age"

Der 29-jährige Geiger Ray Chen ist einer, der nah an den Menschen dran sein möchte. In den sozialen Medien ist er sehr aktiv, lässt seine Fans am Leben hinter den Kulissen teilhaben. Über die Plattformen, hat er letztes Jahr im BR-KLASSIK-Interview verraten, will er junge Leute erreichen – überzeugen soll sie dann seine musikalische Qualität.

CD-Cover: Ray Chen - "The Golden Age" | Bildquelle: Decca

Bildquelle: Decca

Der CD-Tipp zum Anhören

Bei Musik-Streaming-Anbietern wie Spotify, AppleMusic oder Amazon Music gibt es Playlisten mit klassischer Musik, die heißen "Klassik zum Entspannen" , "Classic for Driving" oder "Sad Violin". Die Musik von Ray Chens neuem Album "The Golden Age" würde gut auf eine Playlist namens "Balkonmusik" passen. Früher hätte man wohl Salonmusik gesagt, aber das ist Old School – wer hat heutzutage noch einen Salon? Also: Ab auf den Balkon mit ein paar vegetarischen Tapas, einem Glas Bio-Weißwein und Musik von Kreisler, Debussy, Gershwin, mit Herz serviert von Ray Chen.

Frei nach Satie

Balkon 2018 statt Salon 1918 – auch wenn die Musik 100 bis 150 Jahre alt ist, Ray Chen holt sie ins Heute. Teils durch bewusst klare statt romantisch-verklärter Interpretationen, teils auch durch moderne Bearbeitungen. Gleich der erste Track ist mehr "frei nach" als von Satie, heißt auch nicht mehr "Gymnopédie Nr. 1" wie das Original, sondern "A new Satiesfaction". Das YouTube-Video dazu wurde bereits vor Erscheinen des Albums über 60.000 Mal angeklickt. Das Arrangement für Streichquartett stammt vom Cellisten Stephan Koncz, der ebenso wie die beiden anderen Mitglieder des Ensembles bei den Berliner Philharmonikern spielt. Zusammen mit Ray Chen nennen sich die vier "Made in Berlin". Und ihr Satie strahlt keine Herbstmelancholie aus, sondern pulsiert lebensfroh sommerlich, schimmert vielfarbig: klassisch-salonmusikalisch-innig, abschnittsweise rockig und immer wieder vibrierend zart und durchsichtig. Ein seelenergreifender Mix mit Suchtfaktor.

Hits mit Schmelz und ohne Kitsch

Noch mehr Hits finden sich auf der CD: "Clair de Lune" von Debussy oder "Summertime" von Gershwin. Mal mit Streichquartett, mal als Duo Geige-Klavier mit dem Pianisten Julien Quentin, mal traditionell, mal neu. Immer mit einem Schmelz, der an den großen Fritz Kreisler erinnert, aber nie ins Kitschige kippt. Alle sieben Komponisten auf diesem Album haben eins gemeinsam: Ihr Geburtsjahr beginnt mit einer 18, ihr Sterbejahr mit einer 19. Alle haben die Jahrhundertwende und den Ersten Weltkrieg erlebt. Acht der elf Tracks sind höchstens viereinhalb Minuten lang, kurzweilige Kost, Balkonmusik.

Ein Bukett mit großer Blüte

Aber drei Tracks wirken wie ein Fremdkörper: die drei Sätze von Bruchs Violinkonzert Nr. 1, aufgenommen mit dem London Philharmonic Orchestra. Im Booklet heißt es, das Album sei wie ein Bukett mit einer großen Blüte, dem Bruch-Konzert, in der Mitte, und drumherum vielen kleinen Blumen. Zum Anhören ist das mindestens gewöhnungsbedürftig, wenn nicht störend. Möglicherweise setzt Ray Chen darauf, dass die Einzeltitel eh von den Leuten nach Bedarf in ihre privaten Playlisten einsortiert werden. Und dann landet der Bruch halt bei "Classics to Drive" statt auf dem Balkon. Hörenswert ist auch diese Aufnahme allemal, weil frisch, klar und lebendig ohne romantische Überfrachtung gespielt, ebenso wie das ganze Album.

Ray Chen - "The Golden Age"

Max Bruch:
Violinkonzert Nr. 1

und Werke von Erik Satie, Fritz Kreisler, Manuel Ponce, Claude Debussy, George Gershwin und Cyril Scott

Ray Chen (Violine)
Julien Quentin (Klavier)
Ensemble "Made in Berlin"
London Philharmonic Orchestra
Leitung: Robert Trevino

Label: Decca

Sendung: "Leporello" am 6. Juni 2018, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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